Bundestag beschließt Einführung einer Mitwirkungspflicht in Widerrufsverfahren

Der Bundestag hat am 8. November 2018 einen Gesetzentwurf zur dritten Änderung des Asylgesetzes verabschiedet. Darin ist vorgesehen, dass Flüchtlinge, deren Anerkennungen im Rahmen von Widerrufsverfahren überprüft werden, ähnliche Mitwirkungspflichten haben wie schon vorher im Asylverfahren.

In den Widerrufs- und Rücknahmeverfahren prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ob ein zuvor gewährter Schutzstatus abzuerkennen ist. Der Widerruf kommt infrage, wenn sich die Voraussetzungen, unter denen der Schutzstatus erteilt wurde, geändert haben – etwa durch eine Änderung der politischen Situation im Herkunftsland. Von Rücknahme wird gesprochen, wenn sich herausstellt, dass die Erteilung des Schutzstatus fehlerhaft erfolgte, z.B. wenn sie auf unrichtigen Angaben beruhte.

Zur Zeit werden betroffene Personen vom BAMF darüber informiert, wenn ein Widerrufsverfahren geprüft wird. Sie erhalten dann Gelegenheit zur Stellungnahme, sind aber z.B. nicht zur Teilnahme an einer Anhörung verpflichtet. Dies ändert sich nun durch das neue Gesetz. Es sieht die Einfügung eines neuen Absatzes 3a in § 73 AsylG vor, demzufolge die Betroffenen künftig nach Aufforderung des BAMF zur Mitwirkung in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren verpflichtet sind, sofern dies für die Prüfung erforderlich und für die Betroffenen zumutbar ist. Dabei treffen sie eine Reihe von Verpflichtungen, die auch im Asylverfahren gelten, darunter:

  • Verpflichtung, erforderliche Angaben mündlich und (nach Aufforderung) auch schriftlich zu machen;
  • Vorlage und Aushändigung von Pässen, Passersatzpapieren sowie sonstiger Unterlagen, die für die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können;
  • Duldung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur Identitätssicherung (verbunden mit der Maßgabe, dass diese nur zulässig sind, sofern die Identität während des Asylverfahrens entgegen einer bestehenden Verpflichtung nicht gesichert wurde);
  • Duldung der Auswertung und Speicherung von erhobenen Daten durch das Bundeskriminalamt.

Unterbleibt die Aufforderung des BAMF zur Mitwirkung, sieht der geänderte Abs. 4 von § 73 AsylG vor, dass die Widerrufs- und Rücknahmeverfahren wie bisher ablaufen. In diesen Fällen erhalten die Betroffenen also eine schriftliche Mitteilung über die beabsichtigte Entscheidung und ihnen wird die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Den Gesetzentwurf hatte die Bundesregierung damit begründet, dass das BAMF derzeit in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren auf die Erkenntnisse anderer Behörden sowie die Kooperationsbereitschaft der Betroffenen angewiesen sei. Daher könnten "durch behördliches Handeln im Asylverfahren entstandene Fehler (z. B. fehlende oder unzureichende Überprüfung der Identität oder der vorgelegten Dokumente) kaum korrigiert werden". Das Gesetz diene besonders auch der nachträglichen Überprüfung von Asylentscheidungen der Jahre 2015 und 2016, die unter hoher Arbeitsbelastung zustande gekommen seien. Es sei daher geeignet, "die politische Diskussion zu diesen Entscheidungen zu befrieden."

Die Anhörung im Bundestag zum Gesetzentwurf hatte erst am 5. November 2018 stattgefunden, anschließend wurde das Gesetz innerhalb von nur drei Tagen vom Bundestag verabschiedet. Es soll am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

Bei der Anhörung im Bundestag hatten Behördenvertreter sowie weitere geladene Sachverständige den Gesetzentwurf im Grundsatz begrüßt. Kritik kam in der Anhörung u.a. von den Wohlfahrtsverbänden sowie von Vertreterinnen und Vertretern der Anwaltsorganisationen. Diese wiesen darauf hin, dass die Neuregelungen für die Betroffenen enorme Belastungen mit sich bringen könnten und außerdem einen hohen Verwaltungsaufwand zur Folge hätten, der in keinem Verhältnis zur Zahl der tatsächlich erfolgten Widerrufe und Rücknahmen von Asylentscheidungen stehe.

Der Präsident des BAMF, Hans-Eckhard Sommer, teilte im Rahmen der Anhörung aktuelle Zahlen zu laufenden Widerrufs- und Rücknahmeverfahren mit: Demnach sollen in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 550.864 Verfahren überprüft werden. 359.186 dieser Verfahren würden als "reguläre Regelüberprüfung" (also nach § 73 Abs. 2a AsylG, nach Ablauf von drei Jahren) sowie 191.678 Verfahren als "vorgezogene Regelüberprüfung" (vor Ablauf dieser drei Jahre) durchgeführt werden. Abgeschlossen worden seien bislang 59.310 Prüfverfahren. In lediglich 0,6% der Fälle sei ein Widerruf, in 0,2% eine Rücknahme der ursprünglich ergangenen Entscheidung erfolgt.


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