Die Neuregelung der Asylverfahrensberatung (AVB) wurde notwendig durch das Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren, das am 1. Januar 2023 in Kraft trat (siehe auch unsere Meldung vom 2.1.2023). Durch dieses Gesetz wurde unter anderem §12a Asylgesetz (AsylG) vollständig neu gefasst. Darin heißt es nun in Satz 1:
"Der Bund fördert eine behördenunabhängige, ergebnisoffene, unentgeltliche, individuelle und freiwillige Asylverfahrensberatung."
Gestrichen wurde die Formulierung, die im Jahr 2019 unter der Großen Koalition ins Gesetz eingeführt worden war und derzufolge das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die Durchführung einer "unabhängigen staatlichen Asylverfahrensberatung" zuständig war. Mit der Beratung im Sinne des §12a AsylG sollen künftig also nichtstaatliche Organisationen beauftragt werden, die zu diesem Zweck vom Bund gefördert werden sollen.
Laut der Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 31.1.2023 sind nun Wohlfahrtsverbände und andere zivilgesellschaftliche Organisationen aufgerufen, Mittel für die Asylverfahrensberatung zu beantragen.
Der Förderaufruf wurde auf der Webseite des BAMF veröffentlicht (Link siehe unten). Das BAMF ist für die Bearbeitung und Bewilligung der Förderanträge sowie für die Durchführung des Programms zuständig. Laut dem Aufruf stehen 20 Millionen Euro für das Jahr 2023 zur Verfügung. 10% dieser Mittel seien für besondere Beratungsangebote für queere und weitere vulnerable Schutzsuchende bestimmt.
Das Antragsverfahren soll zweistufig ablaufen: In einem ersten Schritt sollen interessierte Organisationen bis zum 28.2.2023 eine Projektskizze sowie eine summarische Aufstellung der zu erwartenden Ausgaben vorlegen (Interessensbekundung). Nach Sichtung der Projektskizzen werden geeignete Organisationen vom BAMF aufgefordert, Förderanträge einzureichen.
Aus dem Förderaufruf sowie einem Merkblatt des BAMF zum Förderverfahren ergeben sich insbesondere diese Rahmenbedingungen und Anforderungen für die Antragstellung:
- Asylverfahrensberatung wird definiert als Beratung im "[…] Zeitraum ab Äußerung des Schutzgesuches bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Asylverfahren sowie bei Dublin-Verfahren. Die Beratung umfasst auch Zweit- und Folgeanträge sowie Widerrufs- und Rücknahmeverfahren, sofern die Beratungsinhalte im Zusammenhang mit dem Asylverfahren stehen." Ziel der Beratung ist es, dass "Schutzsuchende und Antragstellende über Sinn und Zweck sowie Ablauf und Inhalt des Asylverfahrens informiert sind und in dessen Verlauf beraten und unterstützt werden." Die Asylverfahrensberatung soll außerdem dazu beitragen, besonders schutzbedürftige Personen bzw. Personen, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, zu identifizieren.
- Die Asylverfahrensberatung soll in der Regel vor der Anhörung ansetzen. Sie soll in der Regel in der Form von vertraulichen Einzelgesprächen erfolgen.
- Eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) kann erfolgen. Alle Vorgaben des RDG sind hierbei zu beachten. Allerdings ist die zulässige Rechtsberatung auf den Themenbereich der AVB beschränkt. Eine Prozessvertretung ist nicht Teil der AVB.
- Zentralstellenverfahren und Anforderungen an Organisationen:
- Interessierte Organisationen, die in Dachverbänden organisiert sind, sollen am Zentralstellenverfahren teilnehmen – es sollen also alle Projekte eines Verbands gebündelt durch dessen Zentralstelle eingereicht werden.
- Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) vertretenen Verbände werden ausdrücklich als Organisationen genannt, die mit der Durchführung der AVB betraut werden sollen. Auf Antrag können auch weitere Organisationen "im konkreten Bedarfsfall" gefördert werden.
- Antragstellende Organisationen müssen gemeinnützig sein und in der Lage sein, die Durchführung der AVB ordungsgemäß und gewissenhaft sicherzustellen.
- In der Regel wird die flächendeckende Verfügbarkeit der antragstellenden Organisation vorausgesetzt, von dieser Vorgabe kann bei spezialisierten Angeboten für queere und weitere vulnerable Schutzsuchende abgesehen werden.
- Der Einsatz hauptamtlichen Personals ist "unabdingbar", die Beratenden sollen "über ein hohes Maß an fachlicher und persönlicher Qualifikation verfügen" (Einzelheiten sollen in einer Stellenbeschreibung festgelegt werden).
- Eigenmittelanteil: Antragstellende Organisationen haben grundsätzlich einen möglichst hohen Eigenmittelanteil in die Finanzierung einzubringen, mindestens soll dieser Anteil 7% der gesamten förderfähigen Kosten betragen.
Das Merkblatt des BAMF soll im Laufe des Jahres 2023 durch eine Förderrichtlinie ersetzt werden.