Der Europäische Gerichtshof hatte am 19. November 2020 im Fall eines syrischen Schutzsuchenden entschieden, dass ihm aufgrund der Wehrdienstverweigerung in Syrien Flüchtlingsschutz zu gewähren ist (EuGH, Urteil C-238/19, EZ gg. Deutschland, asyl.net: M29016). In Deutschland hatte er lediglich den subsidiären Schutzstatus erhalten, weil die mögliche Verfolgung wegen Wehrdienstverweigerung nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gewertet worden war. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und auch eine Reihe von Gerichten hatten in vergleichbaren Fällen argumentiert, dass eine möglicherweise drohende Verfolgung aufgrund von Wehrdienstverweigerung nicht an eine (unterstellte) oppositionelle Haltung anknüpfe. Der EuGH hat demgegenüber nun darauf hingewiesen, dass eine "starke Vermutung" dafür spreche, dass den Betroffenen Verfolgung aus politischen Gründen drohe. Die Entscheidung des EuGH ist in unserer Datenbank abrufbar, darüber hinaus haben wir sie an dieser Stelle (siehe den Link unten zur Nachricht vom 23.11.2020) sowie in unserer Zeitschrift Asylmagazin vorgestellt.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung stellt sich in laufenden Verfahren syrischer Schutzsuchender die Frage, ob auch hier mit Bezug auf den EuGH eine drohende Verfolgung geltend gemacht werden kann, die an eine (unterstellte) politische Haltung anknüpft. Bei bereits abgeschlossenen Verfahren könnte unter Berufung auf die aktuelle Entscheidung ein Asylfolgeantrag infrage kommen. In diesem Zusammenhang weist die Autorin Oda Jentsch darauf hin, dass die Frist für einen solchen Folgeantrag bis zum 19. Februar 2021 läuft (drei Monate nach Kenntnis der geänderten Rechtslage).
Darüber hinaus gibt die Autorin in der Broschüre Hinweise für Betroffene in verschiedenen Verfahrenskonstellationen:
- Personen, die einen Asylantrag gestellt haben und die noch keine Entscheidung erhalten haben
- Personen, die lediglich einen subsidiären Schutzstatus erhalten haben und über deren Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat
- Personen, die gegen eine Ablehnungsentscheidung des Verwaltungsgericht einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberwaltungsgericht gestellt haben
- Personen, die im Begriff sind einen Asylerstantrag zu stellen
- Personen, die Aufenthaltstitel nach § 22, 23 oder 25 Abs. 3 AufenthG haben.