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BGH: Keine gesetzliche Grundlage der Inhaftierung im "Dublin-Verfahren"

Der Bundesgerichtshof hat in einem am 23. Juli 2014 bekannt gegebenen Beschluss (V ZB 31/14) entschieden, dass es derzeit keine Rechtsgrundlage für die Inhaftierung von illegal nach Deutschland eingereisten Ausländern gibt, für deren Asylverfahren ein anderes europäisches Land zuständig ist. Die entsprechende EU-Richtlinie sei noch nicht hinreichend in deutsches Recht umgesetzt worden.

Hintergrund des Verfahrens ist die Novellierung der unionsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen im Asylverfahren (Dublin III-Verordnung, (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013). In dieser Verordnung, die seit dem 1. Januar 2014 anwendbar ist, sind erstmals durch das Gemeinschaftsrecht die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme in den sogenannten Dublin-Verfahren geregelt. Danach darf eine Person zur Sicherstellung ihrer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Dublin-III-Verordnung nur unter den folgenden Voraussetzungen in Haft genommen werden:

  • Wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht,
  • wenn die Haft verhältnismäßig ist und
  • wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen (Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung).

Die Verordnung bestimmt zudem den Begriff der "Fluchtgefahr" als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller dem gegen ihn laufenden Überstellungsverfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte (Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung). Der deutsche Gesetzgeber hat bislang für keine Umsetzung dieser Bestimmung in deutsches Recht gesorgt. Bislang war die Bundesregierung davon ausgegangen, dass die deutsche Gesetzeslage den europäischen Vorgaben entspricht, wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht (BT-Drucks. 17/12039, S. 7). Wie die Tageszeitung in einer Nachricht vom 23.7.14 mitteilte, könnten von dem BGH-Beschluss die meisten der derzeit knapp 100 Abschiebehäftlingen in Deutschland betroffen sein, da es sich bei ihnen um sogenannte Dublin-Inhaftierungen handele.

Auch von anderer Stelle hatte es Kritik am Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland gegeben. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hatte kürzlich geurteilt, dass Abschiebungshäftlinge nicht zusammen mit gewöhnlichen Strafgefangenen im Gefängnis untergebracht werden dürfen.