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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 07.09.2021 - 1 C 47.20 Parallelentscheidung: 1 C 46.20 (Asylmagazin 1-2/2022, S. 48 ff.) - asyl.net: M30141
https://www.asyl.net/rsdb/pm-56-2021
Leitsatz:

Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 15 Monate bei Abschluss einer qualifizierten Ausbildung; Spurwechsel zu § 19d Abs. 1a AufenthG auch bei Abschluss der Ausbildung während des Asylverfahrens:

1. Bei der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 3 AufenthG wird in einem ersten Schritt eine gefahrenabwehrrechtliche Prognose angestellt, wie lange das die  Abschiebung veranlassende Verhalten die Fernhaltung der Betroffenen aus dem Bundesgebiet rechtfertigt. In einem zweiten Schritt werden die Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für das Familien- und Privatleben der Betroffenen mit dem gefahrenabwehrrechtlichen öffentlichen Interesse abgewogen. Weisen weder die gefahrenabwehrrechtliche Prognose noch die zu schützenden Rechtsgüter der Betroffenen Besonderheiten gegenüber ähnlich gelagerten Fällen auf, ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monaten angemessen.

2. Einer angemessenen Rückkehrperspektive bedürfen vor allem Personen mit familiärer Lebensgemeinschaft oder sozial-familiärer Bindung zu einem minderjährigen ledigen Kind im Bundesgebiet sowie "faktische Inländer*innen". Niedrigschwellige Integrationsleistungen können bei der Abwägung unberücksichtigt bleiben. Dies umfasst auch überdurchschnittliche Deutschkenntnisse.

3. Der erfolgreiche Abschluss einer qualifizierten Berufsausbildung im Bundesgebiet vermittelt eine aufenthaltsrechtliche Rückkehrperspektive, welche die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 15 Monate rechtfertigt. Wird die Ausbildung erst nach dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt abgeschlossen, ist die Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bei der Ausländerbehörde zu beantragen.

4. Allein die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung begründet keine Rückkehrperspektive, die bei dem Einreise- und Aufenthaltsverbot besonders zu berücksichtigen ist. Die Aufenthaltsperspektive ist durch die Vorschriften der §§ 60c AufenthG, 19d Abs. 1a AufenthG ausreichend geschützt.

5. Personen, die während des Asylverfahrens eine Ausbildung abschließen, haben einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1a AufenthG, auch wenn sie zuvor keine Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG erhalten konnten, weil ihr Asylantrag noch nicht abgelehnt wurde (Ausführungen des BVerwG im Rahmen eines "Obiter Dictums").

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Einreise- und Aufenthaltsverbot, Ausbildungsduldung, Berufsausbildung, Integration, Befristung,
Normen: GG Art. 6, GG Art. 2 Abs. 1, EMRK Art. 8 Abs. 1, GR-Charta Art. 7, AufenthG § 60c, AufenthG § 19d Abs. 1a, AufenthG § 11 Abs. 3, AufenthG § 60c Abs. 1 S. 1 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

15 a) Die Befristung eines unter der aufschiebenden Bedingung einer Abschiebung des Ausländers erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbots vollzieht sich - der Bestimmung der Geltungsdauer eines an eine Ausweisung anknüpfenden Einreise- und Aufenthaltsverbots im Grundsatz vergleichbar (vgl. insoweit BVerwG, Urteile vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42 und vom 22. Februar 2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 Rn. 23) - in zwei Schritten.

16 In einem ersten Schritt bedarf es der prognostischen Einschätzung des Bundesamts, wie lange das Verhalten des Betroffenen, welches der die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots veranlassenden Abschiebung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr durch Fernhaltung des Ausländers von dem Bundesgebiet zu tragen vermag.[...]

Dem gefahrenabwehrrechtlich geprägten öffentlichen Interesse sind in einem zweiten Schritt die Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die private Lebensführung des Ausländers gegenüberzustellen. Dieser zweite Prüfungsschritt zielt im Lichte von Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 GRC sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf eine Begrenzung der einschneidenden Folgen eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für das Familien- und Privatleben des Betroffenen. Er bezweckt zudem, dem Interesse des Ausländers an einer "angemessenen Rückkehrperspektive" bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Rechnung zu tragen (Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: August 2021, § 11 AufenthG Rn. 4), weshalb zwar weder die Gründe für die Beendigung eines vormals bestehenden Aufenthaltsrechts noch die Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung eines neuerlichen Aufenthaltstitels, wohl aber das Gewicht des individuellen Interesses, sich wieder im Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, bei der Bemessung der Frist zu berücksichtigen ist (VGH Mannheim, Urteil vom 26. März 2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 333 <337 f.>). [...]

18 Sind in dem zu beurteilenden Einzelfall Umstände, die das gefahrenabwehrrechtlich geprägte Interesse an einem Fernhalten des Ausländers vom Bundesgebiet erhöhen, ebenso wenig erkennbar wie Umstände, die geeignet sind, das Gewicht dieses öffentlichen Interesses zu mindern, so begegnet es in einer Situation, die keine Besonderheiten gegenüber gleichgelagerten Fällen aufweist, keinen Bedenken, das abschiebungsbedingte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von 30 Monaten zu befristen und damit den durch Art. 11 Abs. 2 Satz 1 RL 2008/115/EG und § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmen zur Hälfte auszuschöpfen (vgl. VGH München, Urteil vom 14. November 2019 - 13a B 19.31153 - juris Rn. 64 und Beschluss vom 28. November 2016 - 11 ZB 16.30463 - juris Rn. 4; OVG Greifswald, Beschluss vom 9. Mai 2017 - 1 LZ 254/17 - juris Rn. 14; OVG Schleswig, Beschluss vom 7. Januar 2019 - 3 LA 189/18 - juris Rn. 13 und OVG Koblenz, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 6 A 10042/18 - AuAS 2019, 57 <58>).

19 b) Die Schutzwürdigkeit des Interesses des Ausländers an einer angemessenen Rückkehrperspektive wird insbesondere durch Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 GRC sowie durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprägt.

20 aa) Einer angemessenen Rückkehrperspektive bedürfen im Lichte des Schutzes des Familienlebens im Sinne von Art. 6 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 Var. 2 GRC insbesondere Ausländer, die im Bundesgebiet in familiärer Lebensgemeinschaft mit einem deutschen oder einem ausländischen langfristig aufenthaltsberechtigten Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährigen ledigen Kind leben oder eine sozial-familiäre Beziehung mit einem solchen minderjährigen ledigen Kind pflegen.

21 bb) Entsprechendes gilt für Ausländer, die den verfassungs- und völkerrechtlichen Schutz sogenannter faktischer Inländer (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 19 ff.; EGMR, Urteile vom 20. Dezember 2018 - Nr. 18706/16, Cabucak -, vom 9. April 2019 - Nr. 23887/16, I.M. - und Entscheidung vom 20. November 2018 - Nr. 16711/15, Mohammad -; OVG Bremen, Urteil vom 15. November 2019 - 2 B 243/19 - juris Rn. 24 f.) genießen. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 7 Var. 2 GRC beschränken die Berücksichtigung der Gesamtheit der gewachsenen Bindungen zum Bundesgebiet, die das Privatleben des Ausländers ausmachen, aber nicht auf diese Fälle. Bei der Gewichtung einer an schutzwürdige Bindungen anknüpfenden Rückkehrperspektive sind dabei neben der Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen an das Bundesgebiet auch die Stärke der Bindungen an das Herkunftsland zu berücksichtigen (vgl. EGMR, Urteil vom 2. August 2001 - Nr. 54273/00, Boultif - Rn. 48; EGMR <GK>, Urteile vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner - Rn. 57 f. und vom 23. Juni 2008 - Nr. 1638/03, Maslov - Rn. 71 und 73 und EGMR, Urteile vom 25. März 2010 - Nr. 40601/05, Mutlag - Rn. 54 und vom 13. Oktober 2011 - Nr. 41548/06, Trabelsi - Rn. 55; ferner BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 20).

22 Von diesen Grundsätzen geht auch das Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung aus. Es nimmt insbesondere im Einklang mit § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG an, dass persönliche Belange des Ausländers im Falle der Befristung eines abschiebungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie "eine baldige Wiedereinreise erforderlich machen" oder als sie "die Beendigung des Aufenthalts überdauern und Bedeutung für eine möglichst baldige Wiedereinreise haben" (so indes VGH München, Beschluss vom 6. April 2017 - 11 ZB 17.30317 - juris Rn. 13). In die Abwägung sind vielmehr auch solche Belange des Ausländers einzubeziehen, die nach einer nicht nur ganz kurzfristigen Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots weiterhin Bestand haben, sofern ihnen Bedeutung für einen späteren Anspruch auf Wiedereinreise zukommen kann. Die Verengung der zu berücksichtigenden, von Art. 8 EMRK geschützten Teilaspekte des Privatlebens auf Integrationsleistungen, an die eine legale Wiedereinreise realistisch anknüpfen kann, ist durch die Besonderheiten des abschiebungsbedingten Einreiseverbots nach § 75 Nr. 12 i.V.m. § 11 Abs. 1 AufenthG gerechtfertigt. Bei der Befristung eines solchen Einreiseverbots gebietet es der Schutz des Privatlebens jedenfalls in aller Regel nicht, bereits niederschwellige Integrationsleistungen zu berücksichtigen, die keine rechtliche Grundlage für eine legale Wiedereinreise legen. Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass es der Ausländer regelmäßig selbst in der Hand hat, an der Erfüllung seiner Ausreisepflicht mitzuwirken und hierdurch eine Abschiebung und somit schon die Entstehung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verhindern. Zum anderen werden solche niederschwelligen Integrationserfolge jedenfalls bei im Zusammenhang mit im Asylverfahren ergehenden Einreise- und Aufenthaltsverboten zumeist durch vielfältig fortbestehende Bindungen des Ausländers an sein Herkunftsland weitgehend relativiert. Hinzu kommt schließlich, dass den privaten, durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Belangen abgelehnter Asylbewerber, die eine Ausbildung aufgenommen haben und einen Aufenthalt zur Beschäftigung anstreben, nach aktueller Rechtslage bereits durch weitreichende Gewährung von Bleiberechten Rechnung getragen ist (insbes. §§ 60c, 19d Abs. 1a AufenthG); auch sie verhindern die Abschiebung und damit die Entstehung des Einreise- und Aufenthaltsverbots und kommen nach Ablehnung eines Asylantrags in Betracht, wenn über das Einreise- und Aufenthaltsverbot noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Ausgehend davon erscheint es jedenfalls nicht grundrechtlich geboten, dem - hier von vornherein nur betroffenen - Personenkreis, der diese Voraussetzungen nicht erfüllt und abgeschoben werden kann, einer kürzeren als der regelmäßig festgesetzten Sperre zu unterwerfen. Auch diesen Ausländern bleibt im Übrigen die Möglichkeit, im Falle der späteren Erfüllung eines Aufenthaltserlaubnistatbestands eine nachträgliche Fristverkürzung bei der Ausländerbehörde zu erwirken.

23 Allerdings ist es nicht Zweck der Befristung, die Entscheidung über ein künftiges Aufenthaltsrecht vorwegzunehmen. Die Prüfung von dessen Aufenthaltsvoraussetzungen ist vielmehr dem nach Ablauf der Sperrfrist durchzuführenden Visum- bzw. Aufenthaltstitelverfahren vorzubehalten (VGH Mannheim, Urteil vom 26. März 2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 333 <337 f.>). Für die Beachtlichkeit des individuellen Interesses des Ausländers, sich wieder im Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, ist indes von maßgeblicher Bedeutung, ob dieser während seines asylverfahrensbezogenen Aufenthalts im Bundesgebiet das zentrale Merkmal einer in Abschnitt 4 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes geregelten Anspruchsgrundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt hat. Ein dieser Anforderung genügender Integrationserfolg begründet ein aufenthaltsrechtlich beachtliches Rückkehrinteresse, dem im Lichte des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK auch ungeachtet fortbestehender Bindungen des Ausländers an sein Herkunftsland Rechnung zu tragen ist.

24 Der erfolgreiche Abschluss einer im Bundesgebiet durchgeführten qualifizierten Berufsausbildung vermittelt hiernach dem Ausländer eine im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu beachtende aufenthaltsrechtliche Rückkehrperspektive. So kann einer Fachkraft mit Berufsausbildung gemäß § 18a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erteilt werden, zu der ihre erworbene Qualifikation sie befähigt. Fachkraft mit Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes ist nach § 18 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG ein Ausländer, der eine inländische qualifizierte Berufsausbildung besitzt. Die Annahme einer entsprechenden Rückkehrperspektive setzt nicht voraus, dass dem Ausländer bereits eine die Wiedereinreise ermöglichende Stelle angeboten wurde; eines solchen Angebots bedarf es erst in einem späteren Visumverfahren. Hiervon geht auch § 20 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aus, dem zufolge einer Fachkraft mit Berufsausbildung eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu sechs Monate zur Suche nach einem Arbeitsplatz, zu dessen Ausübung ihre Qualifikation befähigt, erteilt werden kann, sofern die Fachkraft über der angestrebten Tätigkeit entsprechende deutsche Sprachkenntnisse verfügt. Ebenso wenig setzt die Berücksichtigung des erfolgreichen Abschlusses einer qualifizierten Berufsausbildung im Rahmen der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots voraus, dass der Ausländer seinem Beruf nicht auch in dem Zielland der Abschiebung nachgehen könnte. Ein solches Erfordernis trüge den sich unter anderem in dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz widerspiegelnden Interesse an einer Ermöglichung von Zuwanderung ausgebildeter Fachkräfte nur unzureichend Rechnung. Der Abschluss einer qualifizierten Berufsausbildung bis zu dem nach § 83c i.V.m. § 77 Abs. 1 AsylG und § 75 Nr. 12 AufenthG maßgeblichen Zeitpunkt lässt es vorbehaltlich etwaiger Besonderheiten des Einzelfalles im Hinblick zum einen auf die hierdurch gefestigten wirtschaftlichen Bindungen des Ausländers an das Bundesgebiet und zum anderen auf das öffentliche Interesse an einer Deckung der Bedarfe des Wirtschaftsstandortes Deutschland und der Fachkräftesicherung (BT-Drs. 19/8285 S. 1) angezeigt erscheinen, die Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf die Hälfte des in Fällen ohne erkennbare Besonderheiten bestimmten Wertes, bei ansonsten angesetzten 30 Monaten mithin auf die Dauer von 15 Monaten festzusetzen. Wird die qualifizierte Berufsausbildung erst nach dem vorbezeichneten für die Beurteilung der Sachlage im asylgerichtlichen Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt abgeschlossen, so ist der Ausländer darauf verwiesen, nach Maßgabe des § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Verkürzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots bei der dann zuständigen Ausländerbehörde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 1 C 7.17 - Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 16 Rn. 12) zu beantragen.

25 Demgegenüber begründet allein die bloße Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung ohne deren erfolgreichen Abschluss zwar unter den Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AufenthG eine Bleibe-, jedoch entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts in aller Regel keine die Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots überdauernde Rückkehrperspektive. Die Erteilung einer Ausbildungsduldung hindert für die Dauer ihrer Geltung eine Abschiebung des Ausländers. Im Falle ihrer Erteilung und eines in der Folge realisierten erfolgreichen Abschlusses der qualifizierten Berufsausbildung ist dem Ausländer unter den Voraussetzungen des § 19d Abs. 1a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Liegen indes die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht vor, so stehen die mit der Abschiebung des Ausländers gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG in Lauf gesetzten Sperrfristen des § 11 Abs. 1 AufenthG in aller Regel der Annahme einer realen Perspektive, in das Bundesgebiet zum Zwecke der Fortsetzung bzw. einer Wiederaufnahme der im Bundesgebiet begonnenen qualifizierten Berufsausbildung zurückzukehren, entgegen.

26 Zu den eine aufenthaltsrechtlich begründete Rückkehrperspektive nicht vermittelnden niederschwelligen Integrationserfolgen zählen auch Kenntnisse der deutschen Sprache, die der Ausländer während seines Aufenthalts im Bundesgebiet erworben hat. Ebenso wie sonstige denkbare gelegentlich des asylverfahrensrechtlichen Aufenthalts erzielte niederschwellige Integrationserfolge wie etwa ein Schulbesuch, eine bestandene Integrations- oder Fördermaßnahme, die Ausübung einer kurzfristigen Aushilfstätigkeit, ehrenamtliches oder gesellschaftliches Engagement etc. sind entsprechende Sprachkenntnisse, mögen sie auch überdurchschnittlicher Art sein, allein kein Anknüpfungspunkt für eine legale Rückkehr in das Bundesgebiet zu einem im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Aufenthaltszweck. Auch neben einer erfolgreich absolvierten Ausbildung kommt ihnen grundsätzlich kein eigenständiger "Mehrwert" zu, der es rechtfertigte, die Befristung auf weniger als die Hälfte der in Fällen ohne erkennbare Besonderheiten veranlassten Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots vorzunehmen.

27 c) Nach diesen Maßstäben ist die seitens des Bundesamts gegenüber dem Kläger für die Dauer von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung festgesetzte Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

28 Umstände, die ein Fernhalten des Klägers von dem Bundesgebiet für die Dauer von mehr als 30 Monaten geböten, sind seitens des Oberverwaltungsgerichts nicht festgestellt worden. Eine Bemessung der Geltungsdauer des abschiebungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbots auf einen Zeitraum von weniger als 30 Monaten war im Hinblick auf die von dem Kläger aufgenommene, aber bis zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nicht erfolgreich abgeschlossene qualifizierte Berufsausbildung sowie die während seines Aufenthalts im Bundesgebiet erworbenen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht veranlasst.

29 Ob der Kläger die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AufenthG erfüllte, ist nicht Gegenstand dieses asylgerichtlichen Rechtsstreits. Dessen allein auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot beschränkte Rechtshängigkeit hätte der Erteilung einer solchen mit Blick auf § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 6 AsylG jedoch nicht entgegengestanden. Ungeachtet dessen wird einem abgelehnten Asylbewerber, der während seines Asylverfahrens eine qualifizierte Berufsausbildung aufgenommen und abgeschlossen hat und die in § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG geregelte Ausbildungsduldung wegen Nichterfüllung der Voraussetzung "nach Ablehnung des Asylantrags" nicht erhalten konnte, ein Anschlussaufenthalt nach Maßgabe der § 60c Abs. 6 Satz 2 bzw. § 19d Abs. 1a AufenthG nicht verwehrt werden dürfen, sofern alle sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung während der Ausbildung gegeben waren. Es verstieße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, demjenigen, dessen Asylverfahren seine Ausbildung überdauert hat, anders als demjenigen, dessen Asylverfahren vor Abschluss der Ausbildung beendet war, den "Spurwechsel" zu versagen, weil für eine derartige Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund nicht ersichtlich ist. [...]