VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 14.11.2003 - 9 TG 2727/03 - asyl.net: M4459
https://www.asyl.net/rsdb/m4459
Leitsatz:

Die Bezeichnung "Palästina" als Zielstaat einer Abschiebung widerspricht der Regelung des § 50 Abs. 1 AuslG.

Durch eine derartig fehlerhafte Zielstaatsbestimmung wird der Ausländer nicht in eigenem Recht verletzt.(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Abschiebungsandrohung, Palästina, Zielstaatsbezeichnung, Rechtswidrigkeit
Normen: AuslG § 50 Abs. 2; AuslG § 50 Abs. 3 S. 3; AuslG § 70 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

Dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in der Verfügung vom 21. Mai 2003 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen, muss ebenfalls der Erfolg versagt bleiben. Denn mangels einer Verletzung des Klägers in eigenen Rechten ist nicht zu erwarten, dass im Hauptsacheverfahren die Abschiebungsandrohung aufgehoben wird. Der Senat teilt zwar in diesem Eilverfahren die vom Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung dargelegten Zweifel, dass in einer Abschiebungsandrohung Palästina nicht als Ziel einer Abschiebung benannt werden kann. Der Zielstaatsbestimmung "Palästina" steht bereits der Wortlaut der Bestimmung des § 50 Abs. 2 AuslG entgegen, wonach in der Abschiebungsandrohung der "Staat" zu bezeichnen ist, in den der Ausländer abgeschoben werden soll. Unter den Beteiligten ist unstreitig, dass ein Staat Palästina nicht existiert (vgl. insoweit auch VG Aachen, Urteil vom 1. März 2001- 4 K 3022/99 -, InfAuslR 2001, 338).

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es als Zielstaatsbestimmung genüge, wenn ein räumlich klar abgrenzbares Gebiet bezeichnet werde, das selbst kein eigener Staat sein müsse, findet im Wortlaut des Gesetzes keine Grundlage. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt § 50 Abs. 2 AuslG eine Einschränkung auf Teilgebiete des Territoriums eines Zielstaats nicht zu (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 16. November 1999 - 9 C 4.99 -, InfAuslR 2000, 122 <124>).

Dies leitet der Senat aus der Regelung des § 50 Abs. 3 Satz 3 AuslG ab, nach der die Abschiebungsandrohung als solche bestehen bleibt, wenn in ihr rechtswidriger Weise ein Zielstaat benannt ist, in Bezug auf den zwingende Abschiebungshindernisse vorliegen. Mit dieser gesetzlichen Wertung stünde es nicht in Einklang, aus dem Fehlen einer nach § 50 Abs. 2 AuslG gebotenen Zielstaatsbezeichnung auf die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung insgesamt zu schließen (so auch vgl. Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, Stand September 1999, § 50 Rn. 23; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Mai 2003, § 50 AuslG Rn. 14 c; in diesem Sinne wohl auch BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9C 42.99, BVerwGE 111, 343; a. A. Hess. VGH, Beschluss vom 20. Oktober 1993 - 12 TH 1303/93 -, EZAR 044 Nr. 6). Entsprechendes muss nach Auffassung des Senats auch für den Fall gelten, dass entgegen dem Wortlaut des § 50 Abs. 2 AuslG als Ziel der Abschiebung nicht ein Staat, sondern ein Gebiet bezeichnet wird, das kein Staat ist.

Die Abschiebungsandrohung wäre im Klageverfahren auch nicht insoweit aufzuheben, als die Antragsgegnerin "Palästina" als Abschiebeziel benannt hat. Dies gilt selbst in Ansehung der Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 1 AuslG. Danach bleiben nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor Eintritt der Unanfechtbarkeit eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände können unberücksichtigt bleiben. Denn sowohl die (formelle) Präklusion nach § 70 Abs. 3 AuslG als auch der allgemein aus der Bestandskraft eines Verwaltungsakts folgende Ausschluss von Einwendungen setzt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Bezeichnung eines konkreten Zielstaates in der Abschiebungsandrohung voraus (so BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 42.99 -, BVerwGE 111, 343). Dem wird die Bezeichnung "Palästina" nicht gerecht. Ebenso wie in den Fällen, in denen eine Zielstaatsbestimmung gänzlich unterbleibt oder unspezifiziert der "Herkunftsstaat" als Ziel bezeichnet wird, ist auch im Falle der Angabe eines Gebiets, das kein Staat ist, dem Ausländer vor der Abschiebung der Zielstaat bekannt zu gegeben, um ihm dadurch zu ermöglichen, seine zielstaatsbezogenen Einwendungen erforderlichenfalls gerichtlich geltend machen können (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. November 1999 - BVerwG - 9 C 4.99 -, BVerwGE 110, 74 <80 f.>).