Einstufung als sicheres Herkunftsland erfordert Sicherheit im gesamten Staatsgebiet:
1. Allein aus der Proklamation eines Notstands nach Art. 15 EMRK folgt nicht, dass der betreffende Staat kein sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie sein kann. Allerdings ist ein anderer Mitgliedstaat, der die Regelungen über sichere Herkunftsländer anwendet, verpflichtet, diese Einstufung auf Grund der Proklamation zu überprüfen.
2. Die Einstufung als sicheres Herkunftsland erfordert, dass das gesamte Territorium des betreffenden Staates sicher ist. Ausnahmen in Bezug auf einzelne Regionen sind nicht zulässig.
3. Nationale Gerichte müssen die Rechtmäßigkeit der Einstufung als sicheres Herkunftsland von Amts wegen prüfen, wenn es im zu entscheidenden Fall darauf ankommt. Dies folgt u.a. aus dem Recht auf effektiven Rechtsschutz.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 37 der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit deren Anhang I dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaat schon allein deshalb die Kriterien für die Bestimmung als sicherer Herkunftsstaat nicht mehr erfüllt, weil er sich nach Art. 15 EMRK auf das Recht beruft, von den in der EMRK vorgesehenen Verpflichtungen abzuweichen. [...]
Des Weiteren kann, wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge im Kern festgestellt hat, allein aus der Berufung eines Drittstaats auf das in Art. 15 EMRK vorgesehene Recht auf Abweichung weder abgeleitet werden, dass dieser Drittstaat tatsächlich Maßnahmen ergriffen hat, die eine Abweichung von den in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen bewirken, noch gegebenenfalls, welcher Art und welchen Umfangs die ergriffenen abweichenden Maßnahmen sind.
Daraus folgt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Drittstaat die in Rn. 52 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien für die Bestimmung als sicherer Herkunftsstaat im Sinne von Art. 37 der Richtlinie 2013/32 schon allein deshalb nicht mehr erfüllt, weil er sich auf das in Art. 15 EMRK vorgesehene Recht auf Abweichung berufen hat.
Wie der Generalanwalt in Nr. 85 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, muss eine solche Berufung aber die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, der den betreffenden Drittstaat als sicheren Herkunftsstaat bestimmt hat, dazu veranlassen, zu prüfen, ob angesichts der Umstände, unter denen dieses Recht auf Abweichung ausgeübt wird, eine solche Bestimmung für die Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz, die von Antragstellern aus diesem Drittstaat gestellt werden, aufrechterhalten werden kann.
Denn Art. 37 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie die Lage in den als sichere Herkunftsstaaten bestimmten Drittstaaten regelmäßig überprüfen. Damit wollte der Unionsgesetzgeber die Mitgliedstaaten verpflichten, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Umstände, aufgrund deren die Sicherheit der Antragsteller in einem bestimmten Herkunftsland vermutet werden kann, naturgemäß Schwankungen unterworfen sind.
Das Erfordernis der regelmäßigen Überprüfung erstreckt sich daher insofern auch auf das Eintreten signifikanter Ereignisse, als diese aufgrund ihrer Bedeutung dafür von Belang sein können, ob ein als sicherer Herkunftsstaat bestimmter Drittstaat die hierfür in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Kriterien weiterhin erfüllt und somit für ihn vermutet werden kann, dass er die Sicherheit der Antragsteller gewährleisten kann.
Die Berufung auf das in Art. 15 EMRK vorgesehene Recht auf Abweichung stellt ein solches Ereignis dar. [...]
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 37 der Richtlinie 2013/32 dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Drittstaat ausgenommen bestimmter Teile seines Hoheitsgebiets als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann. [...]
Was als Erstes den Wortlaut von Art. 37 der Richtlinie 2013/32 betrifft, der sich gemäß seiner Überschrift auf die nationale Bestimmung von Drittstaaten als sichere Herkunftsstaaten bezieht, so wird darin mehrfach auf die Begriffe "Staat" und "Drittstaat" Bezug genommen, ohne darauf hinzuweisen, dass diese Begriffe für die Zwecke einer solchen Bestimmung so verstanden werden können, dass sie sich nur auf einen Teil des Hoheitsgebiets des betreffenden Drittstaats beziehen.
Was als Zweites den Kontext betrifft, in dem Art. 37 der Richtlinie steht, so geht erstens aus Art. 37 hervor, dass die Mitgliedstaaten sichere Herkunftsstaaten im Einklang mit Anhang I der Richtlinie bestimmen können. Ebenso wenig wie der Wortlaut von Art. 37 enthalten indessen die in diesem Anhang aufgeführten Kriterien einen Hinweis darauf, dass es den Mitgliedstaaten freistünde, nur denjenigen Teil des Hoheitsgebiets des betreffenden Drittstaats, in dem diese Kriterien erfüllt sind, als sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen.
Vielmehr hängt dem Anhang zufolge die Bestimmung eines Staats als sicherer Herkunftsstaat, wie in Rn. 52 des vorliegenden Urteils dargelegt, vom Nachweis ab, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2011/95 noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind. [...]
nsoweit würde eine Auslegung von Art. 37 der Richtlinie 2013/32, die dahin ginge, dass Drittstaaten mit Ausnahme bestimmter Teile ihres Hoheitsgebiets als sichere Herkunftsstaaten bestimmt werden können, eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser besonderen Prüfungsregelung bewirken. Da eine solche Auslegung weder im Wortlaut von Art. 37 noch im Weiteren in der Richtlinie eine Stütze findet, würde bei Bejahung einer solchen Befugnis verkannt, dass Bestimmungen mit Ausnahmecharakter eng ausgelegt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 2015, Kommission/Luxemburg, C-502/13, EU:C:2015:143, Rn. 61, und vom 8. Februar 2024, Bundesrepublik Deutschland [Zulässigkeit eines Folgeantrags], C-216/22, EU:C:2024:122, Rn. 35 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Als Drittes wird die Auslegung, dass Art. 37 der Richtlinie 2013/32 es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, einen Drittstaat ausgenommen bestimmter Teile seines Hoheitsgebiets als sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen, durch die Entstehungsgeschichte dieses Artikels bestätigt. Hierbei ist zu beachten, dass vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2013/32 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Drittstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz als sichere Herkunftsstaaten zu bestimmen, durch die Richtlinie 2005/85, insbesondere durch deren Art. 30, eingeräumt wurde.
Dieser Art. 30 sah ausdrücklich vor, dass Mitgliedstaaten auch einen Teil eines Drittstaats als sicher bestimmen konnten, wenn die Bedingungen nach Anhang II der Richtlinie 2005/85, die im Wesentlichen den Bedingungen in Anhang I der Richtlinie 2013/32 entsprechen, in Bezug auf diesen Teil des Staates erfüllt waren. Zwar verlangte Anhang II der Richtlinie 2005/85 wie Anhang I der Richtlinie 2013/32 den Nachweis, dass "generell und durchgängig" keine Verfolgung stattfand, doch ergab sich schon aus dem Wortlaut von Art. 30, dass diese Anforderung im Fall einer solchen Teileinstufung nur für den als sicher eingestuften Teil des Staates galt.
Gemäß Art. 53 der Richtlinie 2013/32 hob diese die Richtlinie 2005/85 auf, deren Art. 30, wie aus der Entsprechungstabelle in Anhang III der Richtlinie 2013/32 hervorgeht, durch Art. 37 der Richtlinie 2013/32 ersetzt wurde. Die Möglichkeit, einen Teil des Hoheitsgebiets eines Drittstaats als sicher zu bestimmen, ist in diesem Artikel jedoch nicht mehr vorgesehen.
Dass die Absicht bestand, diese Möglichkeit zu beseitigen, geht schon aus dem Wortlaut der Änderung von Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85 hervor, die im Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (KOM[2009] 554 endgültig, S. 62) enthalten ist: Dort wurde in der großen Mehrheit der Sprachfassungen diese Möglichkeit nämlich ausdrücklich gestrichen und in den übrigen Fassungen entfernt.
Darüber hinaus wird diese Absicht durch die ausführliche Erläuterung dieses Vorschlags (KOM[2009] 554 endgültig, Anhang, 14959/09 ADD 1, S. 15) bestätigt, die die Kommission dem Rat der Europäischen Union vorgelegt hatte und in der ausdrücklich auf die Absicht hingewiesen wird, die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, das Konzept des sicheren Herkunftsstaats auf einen Teil eines Drittstaats anzuwenden, zu beseitigen, sowie auf die Folgerung, die sich aus einer solchen Beseitigung ergibt, nämlich dass die materiellen Voraussetzungen für eine solche Bestimmung nunmehr für das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Drittstaats erfüllt sein müssen.
Als Viertes und Letztes stehen die mit der Richtlinie 2013/32 verfolgten Ziele einer solchen Folgerung und damit einer Auslegung von Art. 37 der Richtlinie, wonach dieser es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, einen Drittstaat als sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen, wenn Teile seines Hoheitsgebiets die in Anhang I der Richtlinie genannten materiellen Voraussetzungen für eine solche Bestimmung nicht erfüllen, nicht entgegen.
Insoweit soll die Richtlinie 2013/32 neben ihrem allgemeinen Ziel, gemeinsame Verfahrensvorschriften aufzustellen, insbesondere – wie u. a. aus ihrem 18. Erwägungsgrund hervorgeht – dafür sorgen, dass Anträge auf internationalen Schutz "so rasch wie möglich, unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge", bearbeitet werden (Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 109).
In diesem Zusammenhang heißt es im 20. Erwägungsgrund der Richtlinie, dass es den Mitgliedstaaten unter genau bestimmten Umständen, etwa wenn ein Antrag voraussichtlich unbegründet ist, möglich sein sollte, das Prüfungsverfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung und der effektiven Inanspruchnahme der in der Richtlinie vorgesehenen wesentlichen Grundsätze und Garantien durch den Antragsteller zu beschleunigen, insbesondere indem kürzere, jedoch angemessene Fristen für bestimmte Verfahrensschritte eingeführt werden.
Wie in den Rn. 47 bis 50 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, kann ein Mitgliedstaat Anträge auf internationalen Schutz von Antragstellern aus einem Drittstaat, den dieser Mitgliedstaat als sicheren Herkunftsstaat bestimmt hat, einer besonderen Prüfungsregelung unterwerfen, die auf einer Art widerlegbarer Vermutung ausreichenden Schutzes im Herkunftsstaat beruht und aufgrund deren insbesondere eine Beschleunigung des Verfahrens zur Prüfung dieser Anträge möglich ist.
Insofern der Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie 2013/32, wie in Rn. 78 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, eine rasche und vollständige Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz gewährleisten will, ist es seine Aufgabe, im Rahmen der Ausübung des Ermessens, über das er bei der Festlegung gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes verfügt, diese beiden Ziele bei der Festlegung der Bedingungen, unter denen die Mitgliedstaaten einen Drittstaat als sicheren Herkunftsstaat bestimmen können, gegeneinander abzuwägen. Dass der Gesetzgeber im Rahmen der Richtlinie keine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vorgesehen hat, einen Teil des Hoheitsgebiets eines Drittstaats für die Zwecke einer solchen Bestimmung auszuschließen, spiegelt diese Abwägung und seine Entscheidung wider, einer vollständigen Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz den Vorzug zu geben, die von Antragstellern gestellt wurden, deren Herkunftsstaat nicht für sein gesamtes Hoheitsgebiet die in Anhang I der Richtlinie genannten materiellen Voraussetzungen erfüllt. [...]
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 37 der Richtlinie 2013/32 dahin auszulegen ist, dass er der Bestimmung eines Drittstaats als sicherer Herkunftsstaat entgegensteht, wenn Teile seines Hoheitsgebiets die in Anhang I der Richtlinie genannten materiellen Voraussetzungen für eine solche Einstufung nicht erfüllen. [...]
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Gericht, wenn es mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, der im Rahmen der Sonderregelung für Anträge von Antragstellern aus nach Art. 37 der Richtlinie als sichere Herkunftsstaaten eingestuften Drittstaaten geprüft wurde, im Zuge der nach Art. 46 Abs. 3 vorgeschriebenen umfassenden Ex-nunc-Prüfung berücksichtigen muss, dass die in Anhang I der Richtlinie genannten materiellen Voraussetzungen für eine solche Einstufung verkannt worden sind, auch wenn dies nicht ausdrücklich zur Begründung des Rechtsbehelfs geltend gemacht wird. [...]
In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Bezug auf den Umfang des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wie in Art. 46 Abs. 3 definiert ist, festgestellt, dass die Worte "stellen … sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt" so auszulegen sind, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, nach dieser Bestimmung ihr nationales Recht so auszugestalten, dass die Behandlung der genannten Rechtsbehelfe eine Prüfung aller tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte durch das Gericht umfasst, die ihm eine Beurteilung des Einzelfalls anhand des aktuellen Standes ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 110).
Insoweit betont der Ausdruck "ex nunc" zuvörderst die Verpflichtung des Gerichts, eine Beurteilung vorzunehmen, die gegebenenfalls neue Gesichtspunkte berücksichtigt, die sich nach Erlass der Entscheidung, gegen die sich der Rechtsbehelf richtet, ergeben haben. Eine solche Beurteilung ermöglicht es, den Antrag auf internationalen Schutz erschöpfend zu behandeln, ohne dass der Fall an die Asylbehörde zurückverwiesen werden muss. Die dem Gericht somit erteilte Befugnis zur Berücksichtigung neuer Gesichtspunkte, zu denen sich die Asylbehörde nicht geäußert hat, entspricht der oben in Rn. 78 wiedergegebenen Zielsetzung der Richtlinie 2013/32 (Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 111 und 112).
Sodann bestätigt das Adjektiv "umfassend" in Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie, dass das Gericht sowohl die Gesichtspunkte zu prüfen hat, die die Asylbehörde berücksichtigt hat oder hätte berücksichtigen müssen, als auch die Gesichtspunkte, die nach dem Erlass ihrer Entscheidung aufgetreten sind (Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 113).
Schließlich hebt der Ausdruck "gegebenenfalls" in dem Satzbestandteil "und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie [2011/95] beurteilt wird" hervor, dass die dem Gericht obliegende umfassende Ex-nunc-Prüfung nicht notwendigerweise eine inhaltliche Prüfung des Bedürfnisses an internationalem Schutz zum Gegenstand haben muss und dass sie daher die verfahrensrechtlichen Aspekte eines Antrags auf internationalen Schutz betreffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 115).
Die Einstufung eines Drittstaats als sicheren Herkunftsstaat gehört insofern zu solchen verfahrensrechtlichen Aspekten von Anträgen auf internationalen Schutz, als eine derartige Einstufung in Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 48 bis 50 des vorliegenden Urteils Auswirkungen auf das Prüfungsverfahren für diese Anträge haben kann. [...]
Somit stellt die Einstufung dieses Drittstaats als sicheren Herkunftsstaat einen der Bestandteile der Akte dar, die dem vorlegenden Gericht zur Kenntnis gebracht wurden und über die es im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die genannte Entscheidung zu befinden hat.
Daraus ist zu schließen, dass unter diesen Umständen, auch wenn sich der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht ausdrücklich und als solches darauf berufen hat, dass gegen die in der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Regeln für eine solche Einstufung – wonach das Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz eines Antragstellers aus diesem Drittstaat der Sonderregelung unterworfen wird, die sich aus der Einstufung dieses Drittstaats als sicheren Herkunftsstaat ergibt – möglicherweise verstoßen worden sei, ein solcher etwaiger Verstoß eine Rechtsfrage darstellt, den das vorlegende Gericht im Zuge der von Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie vorgeschriebenen umfassenden Ex-nunc-Prüfung zu berücksichtigen hat. [...]
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Gericht, wenn es mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, der im Rahmen der Sonderregelung für Anträge von Antragstellern aus nach Art. 37 der Richtlinie als sichere Herkunftsstaaten eingestuften Drittstaaten geprüft wurde, im Zuge der nach Art. 46 Abs. 3 vorgeschriebenen umfassenden Ex-nunc-Prüfung auf der Grundlage der Akten sowie der ihm im bei ihm anhängigen Verfahren zur Kenntnis gebrachten Angaben berücksichtigen muss, dass die in Anhang I dieser Richtlinie genannten materiellen Voraussetzungen für eine solche Einstufung verkannt worden sind, auch wenn dies nicht ausdrücklich zur Begründung des Rechtsbehelfs geltend gemacht wird. [...]