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VG Regensburg

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Zitieren als:
VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 21.08.2024 - RO 13 K 23.50720 - asyl.net: M32809
https://www.asyl.net/rsdb/m32809
Leitsatz:

Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien: 

Es gibt keine aktuellen, zuverlässigen und objektiven Quellen zu den Aufnahmebedingungen in Italien. Die Äußerungen der italienischen Behörden zum Aufnahmestopp stellen ein Indiz für die Überlastung der italienischen Aufnahmekapazitäten dar. Fehlende oder überlastete Aufnahmebeeinrichtungen begründen die Gefahr, dass essenzielle Bedürfnisse nach "Bett, Brot und Seife" nicht erfüllt können und somit die Gefahr deer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtecharta besteht. 

(Leitsatz der Redaktion) 

Schlagwörter: Dublinverfahren, Italien, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Aufnahmebedingungen,
Normen: GR-Charta Art. 4, EMRK Art. 3, VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 a
Auszüge:

[...]

c) Es besteht vorliegend auch die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung des Klägers im Sinne des Art. 4 EU-GRCharta. [...]

Objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben über das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im Fall einer unterstellten Überstellung des Klägers nach Italien sind in Anbetracht des seit Dezember 2022 andauernden Aufnahmestopps im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht zu erlangen. Dies würde Spekulationen erfordern, die sich von objektiven, zuverlässigen und genauen Angaben unterscheiden würden [...]. Um ein realistisches Bild der hypothetischen Situation in Italien zu erlangen, wäre nicht nur eine Überstellung des Klägers nach Italien, sondern auch der diversen Schutzsuchenden in vergleichbarer Situation zu unterstellen. Die Indizwirkung der Äußerungen der italienischen Behörden lässt sich daher zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht entkräften, zumal sich ohnehin die Frage stellt, welche Erkenntnisquellen belastbarer sein sollen, als die Verlautbarungen des betroffenen Staates [...].

Trifft die Begründung der italienischen Behörden für den Aufnahmestopp zu, dass das System insbesondere durch fehlende Aufnahmekapazitäten überbelastet ist, könnten im Fall der Überstellung des Klägers nach Italien dessen essentielle Bedürfnisse ("Bett, Brot, Seife") nicht erfüllt werden, was wiederum die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCharta begründet. Ist die Begründung der italienischen Behörden nur vorgeschoben, wird der Kläger durch die nachhaltige Weigerung, seine Rechte im Dublin-System zu erfüllen, zum Objekt politischer Interessen gemacht. Dies betrifft den in Art. 4 EU-GRCharta enthaltenen Menschenwürdegehalt und begründet somit ebenfalls eine individuelle Rechtsverletzung. Es ist dem Kläger nicht zumutbar, sich in der vagen Hoffnung, dass ihn die italienischen Behörden dennoch aufnehmen werden, freiwillig nach Italien zu begeben. [...]