Neue Umstände in Venezuela nach Präsidentschaftswahlen:
1. Nach der Änderung des § 71 AsylG durch das sogenannte "Rückführungsverbesserungsgesetz" ist im Falle eines Asylfolgeantrags einstweiliger Rechtsschutz einzig durch einen Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen. Falls im Rahmen der Ablehnung des Asylfolgeantrags keine erneute Abschiebungsandrohung erfolgt ist, sondern diejenige aus dem Erstverfahren gem. § 71 Abs. 5 S. 1 fortgilt, richtet sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gem. § 60 Abs. 5 VwGO gegen diese Androhung.
2. Die Ereignisse in Venezuela seit der Präsidentschaftswahl am 28.07.2024 sind geeignet, neue Elemente im Sinne des § 71 Abs. 1 AsylG darzustellen.
(Leitsätze der Redaktion. Hins. LS 1 ebenso u.a. VG Freiburg, Beschluss vom 17.06.2024 - A 10 K 2227/24 - asyl.net: M32496; andere Ansicht: VG Karlsruhe, Beschluss vom 25.03.2024 A 8 K 1026/24 - asyl.net: M32309 (Eilrechtschutz hinsichtlich Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig nach § 80 Abs. 5 VwGO und hinsichtlich der Ablehnung von Abschiebungsverboten nach § 123 VwGO); VG München, Beschluss vom 12.06.2024 - M 13 E 24.30922 - asyl.net: M32539 (Eilrechtsschutz bei Folgeanträgen einzig nach § 123 VwGO))
[...]
Das erkennende Gericht versteht ebenfalls die Neuregelung - bei aller Systemwidrigkeit und der vom Gesetzgeber offensichtlich in sehr knapper Zeit vorgenommenen Formulierung - dahin, dass bei einem Folgeantrag, außer bei dem - hier nach übereinstimmender Ansicht nicht vorliegenden - Missbrauch des Antragsrechtes, Rechtsschutz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (dieses im Hinblick auf die im früheren Bescheid des Erstverfahrens ausgesprochene Abschiebungsandrohung, wenn - wie hier - keine erneute Androhung ausgesprochen ist; wenn hingegen eine solche erfolgt ist, im Hinblick auf diesen erneuten Bescheid) zu gewähren ist. Für diesen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO dürften dabei die Einschränkungen des § 36 Abs. 3, Abs. 4 AsylG gelten. [...]
"Dass sämtliches Vorbringen zu den Ereignissen im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl neue Umstände darstellen, die im Erstverfahren - liegen sie doch schon zeitlich danach - nicht geltend gemacht werden konnten, ist selbstverständlich. Dass diese zumindest auch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung darstellen könnte, ist gleichfalls selbstverständlich. Die Bewertung an sich hat der weiteren Prüfung im durchzuführenden Asylverfahren vorbehalten zu bleiben, wie den eindeutigen Gesetzesmotiven zu entnehmen ist. Die Antragsgegnerin scheint demgegenüber irrtümlich anzunehmen, dass neue Umstände nicht vorliegen können, wenn der Ausländer in seinem Erst-, wie sodann in seinem Folgeverfahren überhaupt politische Aktivitäten geltend macht. Diese Annahme stellt Schutzverfahren auf den Kopf.
In dieselbe Richtung dürfte die Argumentation der Antragsgegnerin gehen, dass sich mit dem Eintritt des Antragstellers in die Oppositionspartei "Vente Alemania" in Deutschland (im Herkunftsland "Vente Venezuela") am 15. März 2023 die exilpolitische Aktivität des Antragstellers offenkundig verfestigt habe, er somit spätestens die exilpolitische Betätigung im Rahmen des seinerzeit noch anhängigen gerichtlichen (Erst-)Verfahrens hätte geltend machen müssen. Diese Argumentation verkennt, dass es nicht um eine Mitgliedschaft in einer Partei geht, sondern im Folgeverfahren geltend gemacht wird, dass im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl die Oppositionsparteien (und entsprechend ihre Mitglieder und Unterstützer) zwischenzeitlich seitens staatlicher Stellen in einer asylrechtlich relevanten Weise gefährdet sind und verfolgt werden, stehe die Regierung Maduro zunehmend unter Druck und habe womöglich keine reguläre Wahl unter ordnungsgemäßer Feststellung eines Ergebnisses durchgeführt. Diese Ereignisse liegen eindeutig nach dem Abschluss des Erstverfahrens und dem Antragsteller kann keineswegs der Vorwurf gemacht werden, schuldhaft das nunmehrige Vorbringen im Folgeverfahren verspätet geltend zu machen, hätte er dieses doch schon im Erstverfahren vortragen können.
Die Antragsgegnerin hat auch keine allgemeinen Herkunftslandinformationen benannt, die der Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungslage widerspricht. Der Antragsteller hat demgegenüber eine Vielzahl entsprechender Informationen in Bezug genommen, die die Antragsgegnerin nicht ausgewertet hat. Schon anhand der aktuellen Medienberichterstattung kann dabei auch als gerichtsbekannt vorausgesetzt gelten, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit der Durchführung der Wahl sowie die hierauf basierenden nachfolgenden Umstände zumindest derart auffällig sind, dass eine Neubewertung angezeigt sein dürfte, (siehe nur Dresdner Neueste Nachrichten, v. 30. Juli 2024 "Große Zweifel an Maduros Sieg", v. 31. Juli 2024 "In Venezuela droht eine Revolution" und "Ein Problem für die Welt", v. 2. August 2024 "USA verschärfen den Ton gegenüber Venezuela", v. 9. September 2024 "Oppositionsführer will Asyl in Spanien", v. 20. September 2024 "Anerkennung in Venezuela unter Zwang?"). Dass demgegenüber die Ausführungen der Antragsgegnerin im streitbefangenen Bescheid nichts mehr mit einer abstrakten Prüfung auf einer ersten Stufe zu tun haben, ob das Folgeverfahren zulässig ist, muss nicht weiter dargelegt werden. [...]