Grundsätzliche menschenrechtswidrige Bedingungen für Schutzberechtigte in Griechenland:
"1. Die Kammer geht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren im Regelfall weiterhin davon aus, dass international Schutzberechtigten in Griechenland bei einer Rückkehr eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung droht [...]. Eine maßgebliche Besserung hinsichtlich des Zugangs zum Arbeits- und Wohnungsmarkt ist bei summarischer Prüfung und Außerachtlassung von Beschäftigungen in der "Schattenwirtschaft" nicht ersichtlich.
2. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine palästinensisch-syrische sesshafte Gemeinschaft in Griechenland, über deren soziales Netzwerk ein erheblicher Anteil der international Schutzberechtigten mit palästinensischer Herkunft Arbeit zu finden vermag [...]
3. Als individuelle Besonderheiten sind nach Auffassung der Kammer im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens stets die Ausbildung und Sprachkenntnisse, besondere soziale Kontakte sowie die Dauer und die Umstände des früheren Aufenthalts eines international Schutzberechtigten zu berücksichtigen, die eine existenzielle Notlage bei Rückkehr verhindern können. [...]"
(Amtliche Leitsätze, entgegen VGH Hessen, Urteil vom 6. August 2024 – 2 A 1131/24.A – asyl.net: M32776)
[...]
12 a) Der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg folgend geht die Kammer grundsätzlich weiterhin davon aus, dass nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit elementarste Bedürfnisse nicht befriedigen können. Sie werden im Regelfall für längere Zeit nicht in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften, und für sie besteht mangels staatlicher und sonstiger Hilfen das ernstliche Risiko, in eine Situation extremer materieller Not zu geraten und insbesondere keinen Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft zu erhalten [...].
17 b) Die hiervon abweichende Einschätzung der allgemeinen Lage für international Schutzberechtigte in Griechenland durch den Verwaltungsgerichtshof Hessen (Urteil vom 6. August 2024 – 2 A 1131/24.A –, juris, Tatsachenrevision anhängig: BVerwG 1 C 18.24) veranlasst die Kammer jedenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes derzeit nicht zu einer grundsätzlichen Änderung ihrer Rechtsprechung. [...]
22 Das Gericht geht davon aus, dass ein Verweis international Schutzberechtigter auf eine Tätigkeit in der Schattenwirtschaft in Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht zulässig ist (vgl. VG Berlin, Urteil vom 21. Februar 2022 – VG 34 K 305/20 A –, nicht veröffentlicht, EA S. 7, vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juli 2021 – 11 A 1689/20.A –, juris Rn. 137; VG Berlin, Urteil vom 28. Mai 2024 – VG 23 K 507/23 A –, juris Rn. 43; a. A. VG Hamburg, Urteil vom 28. Juni 2024 – 12 A 4023/22 – juris Rn. 73 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher jedenfalls offen gelassen, ob Unionsrecht einem solchen Verweis entgegensteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2022 – 1 B 83/21 –, juris Rn. 26).
23 Die Schlussfolgerung in Rn. 168 der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wird durch die angeführten Erkenntnismittel zudem nicht hinreichend belegt. Vielmehr behandelt der zitierte Absatz aus dem Bericht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die staatliche Unterstützung bei der Arbeitssuche und trifft lediglich die Aussage, dass Schutzberechtigte in der Regel über ihre sozialen Netzwerke Arbeit fänden (vgl. BFA, Januar 2024, S. 32). Dies ist über eine weitere Sekundärquelle aus der Aussage in der Primärquelle hergeleitet, dass aus migrationsgeschichtlich entstandenen sesshaften Gemeinschaften in einem Land soziale Netzwerke entstehen, die gerade anfangs die Arbeitssuche für Schutzsuchende erleichtern (vgl. RESPOND Project, Working Paper Series 5, The integration of asylum seekers and refugees in the field of education and the labour market: Comparative Thematic Report, 31. März 2021, S. 50). Die Aussage der Erkenntnismittel ist damit überwiegend, dass international Schutzberechtigte eher über soziale Verbindungen Arbeit finden als durch staatliche Unterstützung. Für die Kammer bleibt nicht nachvollziehbar, auf welcher Tatsachengrundlage der Verwaltungsgerichtshof herleitet, in Griechenland bestehe ein solches soziales Netzwerk für Palästinenser. Allein anhand der Zahlen der Schutzzuerkennungen erscheint die Annahme einer sesshaften, unterstützungsfähigen Gemeinschaft sehr zweifelhaft. Hiergegen spricht die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung und auch die zuvor dargestellten Erkenntnisse, wonach die überwiegende Mehrheit der international Schutzberechtigten in Griechenland unter prekären Bedingungen lebt (vgl. BFA, Januar 2024, S. 32). Dies betrifft entsprechend auch die Gruppen von international Schutzberechtigten, die zahlenmäßig die größten Anteile an den Schutzzuerkennungen haben.
24 Ob im Übrigen anhand der vom Verwaltungsgerichtshof dargestellten Umstände eine "arabische Landsmannschaft" besteht, wird ebenfalls nicht weiter belegt.
25 c) Unter Beachtung der allgemeinen Lage betont das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in dem Urteil vom 23. November 2021, dass stets individuelle Besonderheiten in Bezug auf eine Person zu berücksichtigen sind, die diese vom Regelfall der zurückkehrenden international Schutzberechtigten abheben könnten, so in etwa ihre Ausbildung, besondere soziale Kontakte und die Umstände eines früheren Aufenthalts in Griechenland (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris Rn. 53). [...]