LG Koblenz

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Zitieren als:
LG Koblenz, Beschluss vom 24.09.2024 - 2 T 359/24 - asyl.net: M32724
https://www.asyl.net/rsdb/m32724
Leitsatz:

Wechsel einer anwaltlichen Vertretung in Abschiebehaftsachen erfolgt nach § 78 FamFG: 

1. Soll in Verfahren der Abschiebungshaft ein Wechsel der anwaltlichen Vertretung erfolgen, sind nicht die Vorschriften über einen Verteidigerwechsel aus der Strafprozessordnung (§ 143a StPO) - auch nicht analog - anzuwenden. Dies folgt aus dem Willen des Gesetzgebers, die Vorschriften der §§ 140 ff. StPO aus der Anwendung auszuschließen. Für eine analoge Anwendung ist mangels einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum. 

2. Ein Austausch des/der Plichtanwält*in erfolgt über § 106 Abs. 2 AufenthG nach § 78 Abs. 1 FamFG. Danach ist in Verfahren über die Freiheitsentziehung Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anzuwenden. Entstehen keine zusätzlichen Kosten, ist ein Austausch des/der Anwält*in ohne Angabe eines Grundes möglich. 

(Leitsätze der Redaktion; anders zur Herleitung des Wechsels: LG Augsburg, Beschluss vom 15.04.2024 - 051 T 918/24 e - asyl.net: M32346

 

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Pflichtanwalt, Wechsel, Beiordnung
Normen: StPO § 143a, FamFG § 78 Abs. 1, AufenthG § 62d, AufenthG § 106 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Dem Betroffenen ist sein neuer Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen und die bisherige beigeordnete Rechtsanwältin ist zu entpflichten in Anwendung von §§ 62d, 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 78 Abs. 1, Abs. 3 FamFG. [...]

Gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG richtet sich das Verfahren bei Freiheitsentziehungen nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. [...]

Die Regelungen in § 143a StPO sind nicht analog anwendbar. Zum einen ergibt sich dies bereits aus den Motiven des Gesetzgebers, der festgestellt hat, dass die Regelungen in §§ 140 ff. StPO nicht anwendbar sind, da es sich nicht um Strafhaft handelt (Bundestagsdrucksache 20/10090, Seite 18; zitiert nach juris-online). Zum anderen ist für eine analoge Anwendung keine Raum, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, denn es sind die Regelungen des FamFG für die Beiordnung anwendbar.

Für das Verfahren der nach § 62d AufenthaltG vorgesehenen Bestellung eines anwaltlichen Vertreters gilt daher § 78 FamFG. Gemäß § 78 Abs. 1 FamFG wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist. Ohne Grund kann auf Wunsch des Antragstellers der ursprünglich beigeordnete Anwalt ausgewechselt werden, wenn die beteiligten Anwälte dem Gericht mitteilen, dass sie insoweit auf Gebühren verzichten, als insgesamt der Gebührenaufwand der Staatskasse nicht steigt (Weber in Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 78, Rn. 22; zitiert nach back-online). Hieraus ergibt sich, dass ein Anwaltswechsel ohne Grund möglich ist, wenn hierdurch keine zusätzlichen Kosten für die Staatskasse anfallen. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht sind bislang die Kosten für die Beiordnung von Rechtsanwältin ... angefallen. Rechtsanwalt Fahlbusch hat sich erst im Beschwerdeverfahren für den Betroffenen bestellt. Durch den Wechsel des beigeordneten Rechtsanwalts fallen nur noch Kosten im Beschwerdeverfahren an, nicht aber im Verfahren vor dem Amtsgericht. [...]