Unterbrechung der Überstellungsfrist durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung:
"Jede Entscheidung eines nationalen Gerichts, mit der die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine auf den Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung beruhende Überstellungsentscheidung angeordnet wird, unterbricht den Lauf einer in der Dublin-III-Verordnung normierten Überstellungsfrist. Auf die Gründe, auf die das Gericht seine Entscheidung gestützt hat, kommt es dabei nicht an, und zwar auch dann nicht, wenn das Gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs mit der praktischen Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylantragstellers in einen anderen Mitgliedstaat begründet hat."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Die von der Beklagten aufgeworfene Frage lässt sich dabei basierend auf der bisherigen Rechtsprechung des EuGH bereits dahingehend beantworten, dass eine stattgebende gerichtliche Eilentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, auch wenn sie mit einer praktischen Unmöglichkeit einer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat begründet wird, geeignet ist, die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO zu unterbrechen. Jede Entscheidung eines nationalen Gerichts, mit dem die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine auf den Bestimmungen der Dublin-III-VO beruhende Überstellungsentscheidung angeordnet wird, ist nach der Rechtsprechung des EuGH geeignet, den Lauf einer in der Dublin-III-VO normierten Überstellungsfrist zu unterbrechen, ohne dass es auf die dafür vom nationalen Gericht herangezogenen Gründe ankäme (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 26.5.2016, 1 C 15.15, juris Rn. 11; Urt. v. 9.8.2016, 1 C 6.16, juris Rn. 17). Im Einzelnen:
Schon in seinem Urteil vom 13. September 2016 (Rs. C-60/16, juris, Rn. 55) führt der Gerichtshof in Bezug auf die Überstellungsfristen nach der Dublin-III-VO aus, dass solange ein gegen eine Überstellungsentscheidung eingelegter Rechtsbehelf oder eine beantragte Überprüfung einer solchen Entscheidung aufschiebende Wirkung hat, es von vornherein unmöglich ist, die Überstellung vorzunehmen. Die für die Überstellung vorgesehene Frist könne daher in einem solchen Fall erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich die Modalitäten zu regeln bleiben, mithin – so der EuGH ausdrücklich –, ab dem Zeitpunkt, zu dem die aufschiebende Wirkung endet. Eine Betrachtung der Gründe, aus denen ein nationaler Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, nimmt der Gerichtshof dabei nicht vor. Vielmehr gibt er durch Bezugnahme auf seine Entscheidung in der Rechtssache "Petrosian" (EuGH, Urt. v. 29.1.2009, C-19/08, juris) zu erkennen, dass es auf diese Gründe nicht ankommen kann. In den Gründen dieser Entscheidung hatte der Gerichtshof bereits das Dilemma beschrieben, in das ein Mitgliedstaat geraten würde, müsste er einerseits die rechtlich gebotene aufschiebende Wirkung eines gegen eine Überstellungsentscheidung gerichteten Rechtsbehelfs beachten, er andererseits aber auch verpflichtet wäre, eine Überstellung innerhalb der hierfür in der Dublin-III-VO vorgesehenen Frist durchzuführen. Dieses Dilemma könne nur dadurch aufgelöst werden, dass die Überstellungsfrist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu laufen beginne, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird – nach deutschem Recht der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO –, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann – nach deutschem Recht mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens (vgl. EuGH, Urt. v. 29.1.2009, C-19/08, juris Rn. 46). [...]
Unschädlich ist dabei, dass der Entscheidung "Petrosian" noch die Bestimmungen der Dublin-II-VO zugrunde lagen. Denn der EuGH hat durch seine ausdrückliche Bezugnahme auf diese Entscheidung in seinem Urteil vom 13. September 2016 betont, dass diese ebenso für die Bestimmungen der Dublin-III-VO gelten. Die letztgenannte Entscheidung ist ihrerseits zwar auch nicht primär auf die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO bezogen, sondern auf die nach Art. 28 Abs. 3 UA 3 Dublin-III-VO. Es wird aus ihr aber gleichwohl hinreichend deutlich, dass der Gerichtshof seine Erwägungen nicht exklusiv auf die letztgenannte, sondern auch auf die in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO geregelte Überstellungsfrist bezieht. Der Gerichtshof ordnet beiden Überstellungsfristen nämlich ausdrücklich die gleiche Funktion zu, wobei er die in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO geregelte Frist sogar als Grundsatzfrist bezeichnet (EuGH, Urt. v. 13.9.2017, C-60/16, Urt. v. juris Rn. 54). [...]
Auf die von dem Gericht seiner Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs zugrunde gelegten Gründe kann es dabei nicht ankommen. Der Gerichtshof hat in seiner Entscheidung zwar auch ausgeführt, dass – ähnlich wie in der vorliegenden Konstellation – die Überstellungfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO Anwendung finde, wenn der Betreffende aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht überstellt werden könne. [...]