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VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 16.07.2024 - M 25 K 22.3074 - asyl.net: M32675
https://www.asyl.net/rsdb/m32675
Leitsatz:

Keinen Schutzstatus für Frau aus Tansania:

1. Keine Gefahr der politischen Verfolgung für eine Frau, die 2020 lediglich ihre Gaststätte für Versammlungen der Opposition zur Verfügung gestellt hat. Sie kann darauf verwiesen werden aufgrund ihrer Schulbildung, in einem anderen Bereich zu arbeiten. Sie war selbst nicht politisch aktiv.

2. Kein Abschiebungsverbot wegen einer HIV-Erkrankung, die sich erst in Stadium 1 befindet und Medikamente kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Tansania, Frauen, politische Verfolgung, HIV/AIDS, Abschiebungsverbot,
Normen: AsylG § 3, AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7,
Auszüge:

[...]

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine weitere Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden aufgrund des Umstands, dass die Klägerin im Jahr 2020 ihre Gaststätte auch Oppositionsparteien für Versammlungen zur Verfügung gestellt hat, nicht beachtlich wahrscheinlich. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid vom 15. März 2022 Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, warum die Klägerin weiterhin von staatlichen Behörden bzw. der Regierungspartei verfolgt werden sollte, wenn sie nach ihrer Rückkehr nach Tansania nicht erneut eine Gaststätte betreiben würde. Denn die geltend gemachte politische Verfolgung knüpft nur daran an, dass die Klägerin ihre Gaststätte Oppositionsparteien für Versammlungen zugänglich gemacht hat. Es ist der Klägerin auch zumutbar, ihren Lebensunterhalt auf andere Weise als durch den Betrieb einer Gaststätte zu verdienen. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben in der Anhörung eine überdurchschnittliche Schulbildung und jahrelang als Angestellte in einem anderen Bereich, nämlich im Marketing, gearbeitet, wobei ihre finanzielle Situation durchschnittlich war.

Gegen eine andauernde Verfolgung der Klägerin spricht weiterhin, dass die Klägerin selbst weder Parteimitglied noch jemals politisch aktiv war. Im Übrigen hat sie auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung weder vorgetragen noch ist es ersichtlich, dass sie weiterhin von staatlichen Behörden bzw. der Regierungspartei gesucht oder gar ein Haftbefehl gegen sie vorliegen würde. Dies wäre auch insofern nicht plausibel, denn wenn der tansanische Staat weiterhin ein nachhaltiges Verfolgungsinteresse hätte, wäre die Klägerin nach der zweiten Entführung gar nicht erst freigelassen worden. Diese Einschätzung wird schließlich dadurch bekräftigt, dass es der Klägerin nach ihrer Entführung möglich war, im Dezember 2020 ein Visum zu erhalten und damit ohne Probleme auszureisen. [...]

Vorliegend käme als lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG allenfalls die Erkrankung der Klägerin an HIV in Betracht. Denn die im Befundbericht vom 10. Januar 2024 diagnostizierte Eisenmangelanämie stellt schon per se keine solche lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung dar. Soweit in diesem Befundbericht auch eine PTBS diagnostiziert wird, ist diese Diagnose jedenfalls bereits deswegen nicht valide, da im Bericht unter "Epikrise" lediglich der Verdacht auf eine PTBS geäußert wird. [...]

Zwar spricht der Befundbericht vom 10. Januar 2024 von einer fortgeschrittenen HIV-Infektion mit dringender Behandlungsindikation. Aber in diesem Bericht wird lediglich das Infektionsstadium A2 nach der CDC-Klassifikation diagnostiziert, was dem ersten Stadium einer HIV-Infektion entspricht [...]. Eine extreme Gefahrenlage im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird im Fall einer HIV-Infektion im Allgemeinen jedoch erst im fortgeschrittenen Stadium, insbesondere im Stadium 3 (AIDS) nach der CDC-Klassifikation, erwogen [...].

Jedenfalls ist keine alsbaldige wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin anzunehmen, da HIV in Tansania behandelbar ist und antiretrovirale Medikamente in staatlichen Krankenhäusern kostenlos abgegeben werden. In Tansania leben rund 1,7 Millionen Personen mit HIV [...]. Die Zahl der Betroffenen, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, steigt kontinuierlich, etwa 1,5 Millionen Menschen haben Zugang zu einer Therapie [...]. Antiretrovirale Medikamente und auch HIV-Spezialisten sind verfügbar [...]. Tansania folgt den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und bietet allgemein freien Zugang zur antiretroviralen Therapie an. [...]