Was "ohne Belang" bedeutet, ist darzulegen:
1. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht sind, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. Was für die Prüfung nicht von Belang ist, ist auszulegen. Belanglos ist ein Vortrag nicht schon dann, wenn er letztlich erfolglos geblieben ist. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist im Vergleich mit den sonstigen in Art. 31 Abs. 8 Buchstabe b) bis j) RL 2013/32/EU aufgenommenen Fallgruppen zu sehen und vergleichbar schwerwiegende, gegen die Antragsteller*innen sprechende Umstände zu verlangen.
2. Es besteht kein Anlass, die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu dem Ausnahmecharakter des offensichtlich unbegründeten Schutzbegehrens in Abrede zu stellen.
3. § 30 Abs. 1 AsylG findet gemäß § 30 Abs. 2 AsylG auch dann keine Anwendung, wenn der/die Antragsteller*in während des Asylverfahrens volljährig wird. Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 AsylG sowie der Wortlaut der Richtlinie weisen auf "Asylverfahren" bzw. "Prüfverfahren" hin, so dass der Ausschluss des § 30 Abs. 2 AsylG für das gesamte Verfahren Geltung finden muss. Anderes lässt sich weder aus dem Asylgesetz noch aus der Verfahrensrichtlinie lesen, auch wenn die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung für eine andere Auslegung sprechen könnte.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Ob in Anbetracht dieser Rechtsprechung die Ausführungen in dem Gesetzentwurf zutreffend sind, dass die in§ 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG 2024 aufgeführte Fallgruppe, die Art. 31 Abs. 8 Satz 1 Buchstabe a) RL 2013/32/EU umsetze, die bisher in § 30 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 AsylG geregelten Fälle umfasse, ist mehr als zweifelhaft.
Was hingegen im Asylverfahren das Vorbringen von lediglich Umständen ist, die für die Prüfung des Asylantrages nicht von Belang sind, ist auszulegen. Eindeutig ist nur, dass dieses ein "Mehr" bedeutet gegenüber der (einfachen) Unbegründetheit eines Asylantrages, wäre anderenfalls jedes letztendlich ohne Erfolg gebliebenes Schutzvorbringen zugleich auch ein offensichtlich unbegründetes Vorbringen. Dass dieses nur die Ausnahme in klar strukturierten Fällen sein kann, ist sowohl der nationalen Regelung in § 30 AsylG 2024 wie auch den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 31 Abs. 8, Art. 32 Abs. 2 RL 2013/32/EU zu entnehmen.
Von daher gibt es keinen Anlass, die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes zu dem Ausnahmecharakter des offensichtlich unbegründeten Schutzbegehrens, ehemals nach § 30 AsylG in der bis zum 26. Februar 2024 geltenden Fassung, in Abrede zu stellen. [...]
Unter Zugrundelegung dessen tragen die Ausführungen der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid und ihre Bewertung des Schutzbegehrens als offensichtlich unbegründet nicht.
Die Antragsgegnerin bezieht sich zur Begründung ihrer Bewertung auf die Behauptung, dass der nach ihrer Ansicht unbegründete Asylantrag auch als offensichtlich unbegründet abzulehnen sei, wiederholt hierbei den Wortlaut des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG 2024; eine relevante Gefährdungssituation habe nie bestanden.
Die Antragsgegnerin stellt für ihre Annahme belanglosen Vorbringens die nicht untermauerte These auf, dass das "offensichtlich" sei und verwendet hierfür nur - ohne Ausführungen zum Sachverhalt - andere Synonyme, was nach der obigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht zulässig ist. Es bleibt unverständlich, inwiefern dieses alles "ohne Belang für die Prüfung" gewesen sei, noch dazu die Antragsgegnerin selbst eine Würdigung des Vortrages vorgenommen hat. Es wurde zudem schon ausgeführt, dass belangloses Vorbingen jedenfalls nicht nur aufgrund einer Würdigung anzunehmen ist, dass es letztendlich erfolglos geblieben ist, noch dazu, wenn diese Erfolglosigkeit lediglich auf die Bewertung der Darstellung zurückzuführen ist, schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte lägen nicht vor, bei Rückkehr sei nicht zu erwarten, dass eine Verfolgung stattfinden werde. Es wäre - entgegen der dem Gesetz zu Grunde liegenden Annahme - jedes erfolglose Schutzbegehren auch zugleich als offensichtlich unbegründet abzulehnen, was nicht dem gesetzgeberischen Willen entspricht.
Die möglicherweise zutreffende Ablehnung eines Schutzbegehrens entbindet gleichwohl nicht von der Verpflichtung aufzuzeigen, was unter belanglosem Vorbringen im Sinne der Neufassung von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG 2024 zu verstehen ist und inwiefern solches vorliegt. Bei der Neufassung der gesetzlichen Vorgaben in § 30 AsylG 2024 ist dabei vor allem in Betracht zu ziehen, dass hierbei gerade Art. 31 Abs. 8 RL 2013/32/EU umgesetzt werden sollte. Inwieweit es zielführend gewesen ist, anstatt sich an den Vorgaben in Art. 31 Abs. 8 Buchstabe a) bis j) RL 2013/32/EU zu orientieren, stattdessen nicht nur die Reihenfolge der benannten Fallgruppen in § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 AsylG 2024 zu verändern, sondern auch vom Wortlaut wie vom Inhalt der Richtlinienvorgaben abzuweichen, hierbei zudem zumindest zwei in der Richtlinie überhaupt nicht aufgeführte Fallgruppen zusätzlich aufzunehmen, was die Frage nach Vereinbarkeit mit Unionsrecht aufwerfen dürfte, mag dahinstehen (kritisch: Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins vom Oktober 2023 zum Referentenentwurf des Rückführungsverbesserungsgesetzes, dort S. 23 ff.; Münch, Sachverständigen-Stellungnahme für die öffentliche Anhörung am 11. Dezember 2023 vor dem Ausschuss für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages, dort S. 13 ff).
Jedenfalls dürfte aber Vorbringen von Umständen, welches für die Prüfung des Asylantrages (so § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG 2024) bzw. für die Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzuerkennen ist (so Art. 31 Abs. 8 Buchstabe a) RL 2013/32/EU), nicht von Belang ist, im Vergleich mit den sonstigen in Art. 31 Abs. 8 Buchstabe b) bis j) RL 2013/32/EU aufgenommenen Fallgruppen zu sehen, somit vergleichbar schwer wiegende, gegen den Antragsteller sprechende Umstände zu verlangen sein. Dass ein Schutzvorbringen letztendlich nach Prüfung und Bewertung erfolglos geblieben ist, fällt hierunter jedenfalls nicht. Das rechtfertigt allenfalls die (einfache) Abweisung des Schutzbegehrens, ohne eines Ausspruches zur Offensichtlichkeit, der letztendlich den nach den gesetzlichen Vorgaben eigentlich eingeräumten Rechtsschutz verkürzt [...].
Die zum 27. Februar 2024 erstmalig in Kraft getretene neue Vorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG 2024 darf gemäß § 30 Abs. 2 AsylG 2024 nicht in Verfahren unbegleiteter Minderjähriger zur Anwendung kommen. Zu diesem Personenkreis hat die Antragstellerin unstreitig vom Beginn ihres Schutzverfahrens, ebenso bei ihrer Anhörung, aber auch noch wenige Tage vor Erlass des nunmehr streitgegenständlichen Bescheides gehört. Sie ist 9 Tage vor Erlass des Bescheides volljährig geworden.
Nach den Ausführungen in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. November 2023 (BT-Drs. 20/9463, dort Seite 57) setzt § 30 Abs. 2 AsylG 2024 Artikel 25 Absatz 6 Unterabsatz 2 Buchstabe a der Asylverfahrensrichtlinie um und schließt in den aufgeführten Fällen die Ablehnung eines Asylantrages von einem unbegleiteten minderjährigen Ausländer als offensichtlich unbegründet aus.
Gemäß Artikel 25 Absatz 6 Unterabsatz 1 RL 2013/32/EU, der im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Unterabsatz 2 zu sehen ist, berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie vorrangig das Kindeswohl. Gemäß Artikel 25 Unterabsatz 2 Buchstabe a RL 2013/32/EU können die Mitgliedstaaten - stellen sie im Verlauf des Asylverfahrens die Zugehörigkeit des Ausländers zum Personenkreis des unbegleiteten Minderjährigen fest - Artikel 31 Absatz 8 der Richtlinie - damit den Ausspruch des Offensichtlichkeitsurteils - nur anwenden oder weiter anwenden, wenn drei in Unterstrichen aufgeführte, hier offensichtlich nicht vorliegende Voraussetzungen gegeben sind, nämlich die Einstufung eines sicheren Herkunftsstaates, die Stellung eines Folgeantrages, der nicht unzulässig ist, oder schwerwiegende Gründe in Anbetracht schwerer Sicherheitsgefährdung.
Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 30 Abs. 2 AsylG 2024 stellt auf das "Asylverfahren" ab, in welchem - bei Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis des unbegleiteten Minderjährigen - das Offensichtlichkeitsurteil nicht ergehen darf. Die Bezugnahme auf die Verfahrensrichtlinie spricht ebenfalls für das Vorliegen eines "Prüfungsverfahren", in welchem - allenfalls unter weiteren, hier nicht gegebenen Voraussetzungen - das beschleunigte Verfahren gegeben sein soll. Die Antragstellerin befand sich aber bereits als unbegleitete Minderjährige im Asyl- und Prüfungsverfahren, sodass es von daher ausgeschlossen sein dürfte, das Offensichtlichkeitsurteil zu treffen.
Die Begründung des Entwurfes der Bundesregierung könnte dafür sprechen, dass es ausreichend sein könnte, dass der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Asylantrag nicht mehr zu dem geschützten Personenkreis gehört. Allerdings dürfte zu erwägen sein, dass dieses weder im Gesetzeswortlaut noch in der zu Grunde liegenden Verfahrensrichtlinie so zum Ausdruck kommt, jedenfalls nicht hinreichend. In einer Hauptsache dürfte daher bei Entscheidungserheblichkeit die Aussetzung des Verfahrens in Betracht zu ziehen sein. In einem derartigen Fall ist aber die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Jedenfalls stellt es einen Umstand dar, zu dem die Antragstellerin niemals angehört worden ist, sodass gerade in Anbetracht der Bedeutung des rechtlichen Gehörs im Schutzverfahren zumindest von daher ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung vorliegen, die den Ausspruch der Anordnung der aufschiebenden Wirkung bedingen. [...]