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SG Chemnitz

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Zitieren als:
SG Chemnitz, Beschluss vom 28.06.2024 - S 3 AY 16/24 ER - asyl.net: M32626
https://www.asyl.net/rsdb/m32626
Leitsatz:

Asylbewerberleistungen im Kirchenasyl: 

1. Personen im Kirchenasyl gehören weiterhin zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem AsylbLG.

2. Allein aufgrund der Gewährung von Kirchenasyl besteht für die Kirche keine rechtliche Verpflichtung zur Deckung des Lebensunterhaltes. Spendengelder können ein verfügbares Einkommen im Sinne des § 7 Abs. 1 AsylbLG darstellen, das vorrangig zur Bedarfsdeckung herangezogen werden muss. Notfallmäßig erbrachte Leistungen Dritter im Vorgriff auf eine zu erwartende Leistung des Sozialhilfeträgers lässt die Hilfebedürftigkeit aber nicht entfallen. 

(Leitsätze der Redaktion, Unter Bezug auf LSG Bayern, Beschluss vom 11.11.2016 - L 8 AY 28/16 B ER (ASYLMAGAZIN 1-2/2017, S. 62 ff.) - asyl.net: M24470

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Kirchenasyl, Bedarfsdeckung durch Dritte
Normen: SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, AsylbLG § 11 Abs. 4 Nr. 1, AsylbLG § 9 Abs. 4, AsylbLG § 3 Abs. 1, AsylbLG § 7 Abs. 1, AsylbLG § 8, SGB X § 48
Auszüge:

[...]

Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2023 kommt hier nur § 48 SGB X in Betracht, der nach § 9 Abs. 4 AsylbLG anwendbar ist.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. [...]

Eine solche wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse kann derzeit nicht festgestellt werden. Zwar haben sich die Antragsteller unstreitig am 27.02.2024 ins Kirchenasyl begeben, allerdings gehören sie damit weiterhin zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem AsylbLG. [...]

Bezüglich der weiteren Bedarfe nach § 3 Abs. 1 AsylbLG liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer anderweitigen Bedarfsdeckung i.S.d. § 8 AsylbLG nicht vor. Danach werden Leistungen nach dem AsylbLG nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere auf Grund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gedeckt wird (sogenannte Verpflichtungserklärung). Eine Verpflichtungserklärung nach § 68 Aufenthaltsgesetz liegt ersichtlich nicht vor. Es kann derzeit auch nicht festgestellt werden, ob der erforderliche Lebensunterhalt vollständig oder teilweise im Rahmen des Kirchenasyls anderweitig gedeckt wird. [...]

Allein aufgrund der Gewährung von Kirchenasyl besteht daher für die Kirche entgegen der Meinung des Antragsgegners keine rechtliche Verpflichtung zur Deckung des Lebensunterhaltes der Antragsteller (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.11.2016, L 8 AY 28/16 B ER).

Auf der Grundlage des Vortrages der Antragsteller und der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung des Flüchtlingssozialarbeiters ist davon auszugehen, dass Spendengelder erzielt und diese den Antragstellern zur Verfügung gestellt wurden. Hierbei kann es sich durchaus um verfügbares Einkommen nach § 7 Abs. 1 AsylbLG handeln, welches vorrangig zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden muss. Derzeit kann jedoch nicht abschließend festgestellt werden, in welchem Umfang tatsächlich Spendengelder erzielt und den Antragstellern zur Verfügung gestellt wurden. Es ist auch ungeklärt, ob auch prognostisch entsprechende Mittel zur Bedarfsdeckung der Antragsteller zur Verfügung stehen. Nach Aktenlage hat die Gemeinde mit Spendengeldern Essen für die Antragsteller besorgt. Insoweit ist fraglich, ob diese notfallmäßig erbrachten Leistungen tatsächlich zu einer Bedarfsdeckung geführt haben. Denn eine Hilfegewährung Dritter im Vorgriff auf eine zu erwartende Leistung des Sozialhilfeträgers lässt die Hilfebedürftigkeit nicht entfallen. Dies würde der Garantie effektiven Rechtsschutzes widersprechen (Bayerisches Landessozialgericht, a.a.O.). [...].