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OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 04.07.2024 - 2 S 168/23 - asyl.net: M32613
https://www.asyl.net/rsdb/m32613
Leitsatz:

Durchsuchung von Wohnung und Arbeitsplatz zur Inverwahrungnahme des Reisepasses: 

Die Durchsuchung der Wohnung und der "sonstigen Besitztümer" (hier des Arbeitsplatzes) unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zur Inverwahrungnahme des Reisepasses ist verhältnismäßig. Die Annahme, der Pass könnte sich in der Kleidung oder in bei der Arbeit mitgeführten Taschen, in einem Spind oder ähnlichen Behältnissen am Arbeitsplatz befinden, ist plausibel, da der Vortrag zum Verlust des Reisepasses unsubstantiiert ist. 

(Leitsätze der Redaktion; siehe mit anderer Ansicht: OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2021 - 15 W 80/21 - asyl.net: M29435)

Schlagwörter: Wohnungsdurchsuchung, unmittelbarer Zwang, Pass, Ausreisepflicht, Reisepass, Durchsuchung, Arbeitsplatz, Ingewahrsamnahme, Inverwahrungnahme,
Normen: BremVwVG § 16 Abs. 2 S. 1, BremVwVG § 16 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die Durchsuchung seiner „sonstigen Besitztümer“ an seinem im Tenor des Beschlusses bezeichneten Arbeitsplatz zum Zweck der Inverwahrungnahme seines Reisepasses angeordnet wurde, bleibt ohne Erfolg. [...]

1. Rechtsgrundlage für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ist § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BremVwVG. [...]

aa) Ein vollziehbarer Grundverwaltungsakt (§ 13 Abs. 1 BremVwVG) lag mit der bestandskräftigen Verfügung vom 01.08.2022, die anordnet, dass der Antragsgegner seinen Pass an die Antragstellerin herauszugeben hat, vor.

bb) Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 BremVwVG sind gewahrt. Ein Zwangsgeld wäre zur Vollstreckung der Herausgabepflicht untunlich, weil es im konkreten Fall weniger wirksam wäre als die zwangsweise Wegnahme des Passes [...]. Es ist nicht anzunehmen, dass der Antragsgegner sich einem Zwangsgeld beugen würde. Die Herausgabe des Passes wäre für ihn mit Nachteilen verbunden, die deutlich schwerer wiegen als die finanzielle Belastung durch ein Zwangsgeld. Denn sie würde aller Voraussicht nach zu seiner Abschiebung führen.

cc) Es ist auch kein Grund ersichtlich, aus dem die zwangsweise Wegnahme des Passes außer Verhältnis zu dem Zweck stehen sollte, die Abschiebung des nach Begehung von Straftaten ausgewiesenen Antragsgegners zu ermöglichen (vgl. § 13 Abs. 2 BremVwVG). An der Abschiebung von ausgewiesenen Straftätern besteht ein hohes öffentliches Interesse. [...]

d) Die Durchsuchung war vom maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus betrachtet zur Inverwahrungnahme des Passes erforderlich. Der Antragsgegner hatte den Pass nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist herausgegeben. Da seine Behauptung, den Pass verloren zu haben, völlig unsubstantiiert ist [...], war die Annahme, der Pass könnte sich in der Kleidung des Antragstellers, in von ihm bei der Arbeit mitgeführten Taschen, in einem Spind oder ähnlichen Behältnissen am Arbeitsplatz befinden, plausibel [...].

2. Der Tenor des Durchsuchungsbeschlusses ist hinreichend bestimmt. Die zu durchsuchenden Sachen (sonstige Besitztümer des Antragsgegners an seiner im Tenor des Beschlusses durch Nennung des Arbeitgebers und der Adresse genau bezeichneten Arbeitsstätte) und die aufzufindende Sache (Pass des Antragsgegners) sind so bezeichnet, dass sie für die Vollzugskräfte ohne größere Schwierigkeiten identifizier- und abgrenzbar sind. Eine nähere Beschreibung war nicht möglich, weil nicht im Einzelnen bekannt war, welche Sachen sich am Arbeitsplatz befinden, die dem Antragsgegner gehören oder ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurden, und in denen der Pass aufbewahrt werden könnte. [...]