Keine Auseinandersetzung mit "überschießenden" Sachausführungen eines Prozessurteils:
Wird eine Klage durch das Verwaltungsgericht als unzulässig und unbegründet abgewiesen, erfordert § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht, dass sich die Berufungsbegründung mit den Erwägungen zur Unbegründetheit auseinandersetzt.
(Amtlicher Leitsatz)
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17 Einer ausdrücklichen Begründung bezüglich des verfolgten Sachbegehrens bedarf es, anders als die Beklagte - in Auseinandersetzung mit dem von dem Kläger gestellten Hilfsantrag - vorträgt, ausnahmsweise nicht. Hierbei ist zu sehen, dass es rechtsfehlerhaft ist, wenn das Gericht in eine Sachprüfung eintritt und Ausführungen zur Begründetheit der Klage macht, obwohl es - wie vorliegend im angegriffenen Urteil geschehen - deren Zulässigkeit verneint hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist die materielle Sachprüfungsbefugnis eines Gerichts grundsätzlich erst eröffnet, wenn die Zulässigkeit der Klage festgestellt ist (BVerwG, Urteil vom 13.07.2023 - 2 C 7.22 -, juris Rn. 26 m.w.N.). Dies beruht auf der Unterschiedlichkeit der Rechtskraftwirkung von Prozess- und Sachurteilen (BVerwG, Urteil vom 13.07.2023 - 2 C 7.22 -, juris Rn. 27 m.w.N.). Materielle Bindungswirkung kommt den "überschießenden" Sachausführungen eines Prozessurteils daher nicht zu; sie dürfen dem Betroffenen nicht entgegengehalten werden. Dies wird in der Rechtsprechung vielfach mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass die verfahrensfehlerhaft beigefügten Begründungserwägungen als "nicht geschrieben" gelten (BVerwG, Urteil vom 13.07.2023 - 2 C 7.22 -, juris Rn. 27 m.w.N.). Soweit in der Literatur vertreten wird, es sei bei der Prüfung des Beruhens eines Urteils, das eine Klage als unzulässig und unbegründet abweist, auf solche Sachausführungen abzustellen, die das Urteil wirklich tragen sollen (Kraft in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 42), weil ein Kläger eine solche Entscheidung dann, wenn sie ihn nicht in subjektiven Verfahrenspositionen verletze, als Sachentscheidung hinzunehmen habe (Kraft in: FS Becker-Eberhard, 2022, S. 285, 295), kann dem jedenfalls nicht mit der Konsequenz gefolgt werden, dass sich eine Berufungsbegründung mit den Erwägungen des Gerichts zur Unzulässigkeit und zur Unbegründetheit auseinandersetzen müsste. Denn es würde die Anforderungen an den Zugang zur Berufungsinstanz überspannen und nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Einklang stehen, eine Auseinandersetzung mit Begründungselementen zu fordern, die ihrerseits allein aufgrund einer unzutreffenden Anwendung des Prozessrechts erst Inhalt des Urteils geworden sind. Da demzufolge davon auszugehen ist, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts zu dem Sachbegehren des Klägers keinerlei Ausführungen enthält, besteht insoweit auch kein Anlass zu einer Auseinandersetzung mit ihnen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.07.2018 - 1 B 2.18 -, juris Rn. 13). In einer solchen Situation bedarf es ausnahmsweise noch nicht einmal einer ebenfalls nur ausnahmsweise zulässigen pauschalen Bezugnahme auf den Vortrag erster Instanz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.07.2018 - 1 B 2.18 -, juris Rn. 13). [...]