Kein Durchentscheiden bei Erhebung einer Untätigkeitsklage
"1. Bei der Frist von 21 Monaten nach § 24 Abs. 7 AsylG handelt es sich um eine absolute Höchstfrist. Diese gilt auch im Anwendungsbereich des Aufschubs nach § 24 Abs. 5 AsylG.
2. Bei einer Untätigkeitsklage, gerichtet auf "Durchentscheiden" des Gerichts, ist für einen gerichtlichen Verpflichtungsausspruch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Asylverfahrens kein Raum, so dass das Gericht nicht gehalten ist, eine Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO herzustellen."
(Amtliche Leitsätze)
Anm. d. Red.; Siehe auch VG Ansbach, Urteil vom 28.01.2014 - AN 1 K 13.31136 -, juris Rn. 34]
[...]
I. Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag sowie dem ersten Hilfsantrag ein "Durchentscheiden" des Gerichts begehrt, ist die Untätigkeitsklage zwar zulässig, jedoch unbegründet.
1. Sie ist als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) in Gestalt der Untätigkeitsklage (§ 75 Satz 1 VwGO) zulässig und nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO wirksam erhoben worden. Das Verfahren war nicht nach § 75 Satz 3 VwGO auszusetzen und der Beklagten eine Frist zur Sachentscheidung zu setzen, weil es an einem zureichenden Grund für die bisher ausgebliebene Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag fehlt. [...]
Hierzu zählt vorliegend insbesondere das Beschleunigungsgebot im Asylverfahren, wie es sich aus Art. 31 Abs. 2 RL 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) ergibt. Daher ergeht nach § 24 Abs. 4 AsylG eine Entscheidung über den Asylantrag innerhalb von sechs Monaten [...]
Anhaltspunkte dafür, ob eine Überschreitung der sechsmonatigen Frist – also eine Ausnahme vom vorgenannten Grundsatz – sachlich gerechtfertigt ist, ergeben sich aus § 24 Abs. 4 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 5 AsylG (so auch Art. 31 Abs. 3 UAbs. 3 und 4 sowie Abs. 4 Asylverfahrensrichtlinie). [...]
Nach § 24 Abs. 7 AsylG hat das Bundesamt jedoch spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Abs. 1 und 2 AsylG zu entscheiden. Hierbei handelt es sich um eine absolute Höchstfrist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 20). Dies wird insbesondere am Wortlaut von Art. 31 Abs. 5 Asylverfahrensrichtlinie deutlich, in dem es heißt, dass die Mitgliedstaaten das Prüfungsverfahren in jedem Fall innerhalb einer maximalen Frist von 21 Monaten nach der förmlichen Antragstellung abschließen. [...]
Diese hat die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG) also bereits unzulässigerweise überschritten. Die absolute Höchstfrist gilt auch im Anwendungsbereich des Aufschubs nach § 24 Abs. 5 AsylG, auf den sich das Bundesamt vorliegend zur Begründung beruft (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 05.03.2024 - 5 A 4504/23 -, juris Rn. 6).
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag jedoch unbegründet. [...]
Denn ein "Durchentscheiden" würde die dem Bundesamt vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 28.01.2014 - AN 1 K 13.31136 -, juris Rn. 34). Wenn das Bundesamt nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis gelangt, es sei gemäß §§ 29a und 30 AsylG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle der Entscheidung des Bundesamts und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Ausländers vor. Die Abweisung als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt hat zudem zur Folge, dass vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf (§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Eine vergleichbare Möglichkeit hat das Gericht nicht. Es kann außerdem nicht aussprechen, dass der Asylantrag aus einem der Gründe des § 29 Abs. 1 AsylG als unzulässig abzulehnen ist, und kann auch keine der in §§ 34 Abs. 1, 35, 36 Abs. 1, 38 Abs. 1 und 2 AsylG differenziert geregelten Abschiebungsandrohungen erlassen.
Gegen ein "Durchentscheiden" spricht weiter, dass der Kläger sonst eine Tatsacheninstanz verlieren würde, welche jedoch wegen der besonderen Sachkunde des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (vgl. dazu auch VG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2014 - 24 K 992/14.A -, juris Rn. 21) sowie vor dem Hintergrund der im Asylverfahren nur sehr eingeschränkten Möglichkeiten der Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 AsylG besondere Wichtigkeit besitzt. [...]