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OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.06.2024 - 2 M 53/24 - asyl.net: M32567
https://www.asyl.net/rsdb/m32567
Leitsatz:

Keine Abschiebungsandrohung bei wirksamer Flüchtlingsanerkennung

Eine fehlende negative Staatenbestimmung i.S.d. §§ 59 Abs. 3 S. 2, 60 Abs. 10 S. 2 AufenthG führt zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung.

(Leitsatz der Redaktion. Anmerkungen der Redaktion auf Hinweis des Einsenders:

1. Das OVG Sachsen-Anhalt geht nicht auf die Erwägungen des Hessischen VGH ein, wonach bei Fällen, in denen der § 59 Abs. 1 und 3 in der Fassung vor dem 27.02.2024 im Hinblick auf eine Ausreisepflicht im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Verurteilung maßgeblich ist, einzig der § 59 Abs. 1 zu betrachten ist (VGH Hessen, Beschluss vom 18.3.2024 – 3 B 1784/23 –, juris, Rn. 15f.). Es liegt nahe, dass der Hessische VGH diesen Schluss gezogen hat, weil es die alte Fassung des § 59 Abs. 1 und 3 für europarechtswidrig hielt.

2. Der im Beschluss des OVG erwähnte Beschluss des VG Halle vom 19.03.2024 (5 B 158/24 HAL) beruhte wohl teilweise auf einer fehlerhaften Auslegung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, insoweit die aufschiebende Wirkung allein in Bezug auf den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft angeordnet wurde und nicht auch in Bezug auf die Feststellung des BAMF, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO konnte sich sinnvollerweise nur auf den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft, nicht aber auf die Ablehnung subsidiären Schutzes und von Abschiebungsverboten beziehen, da es bezüglich der beiden letzten Streitgegenstände um eine reine (hilfsweise erhobene) Verpflichtungsklage ging und es keine Rechtsposition gab, deren vorläufiges Fortbestehen angeordnet werden konnte)

Schlagwörter: Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, negative Zielstaatsbezeichnung, Abschiebungsverbot, Widerruf, einstweilige Anordnung,
Normen: AufenthG § 59 Abs. 3 S. 2; AufenthG § 60 Abs. 10 S. 2; AsylG § 3
Auszüge:

[...]

Darf der Antragsteller mithin derzeit gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG nicht nach Afghanistan abgeschoben werden, muss die angefochtene Androhung der Abschiebung gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG und § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG eine diesbezügliche negative Staatenbezeichnung enthalten, die von der Androhung nicht trennbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2023 - 1 C 34.22 - juris Rn. 22 bis 28).

Dem Erfordernis der negativen Staatenbezeichnung steht auch nicht die in der Nr. 3 des Widerrufsbescheids vom 11. Oktober 2023 enthaltene Feststellung entgegen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Diese Regelung ist zwar vollziehbar, weil das Verwaltungsgericht Halle in seinem Beschluss vom 19. März 2024 insoweit die Vollziehung nicht ausgesetzt hat. Die hier erforderliche negative Staatenbezeichnung ergibt sich aber nicht aus § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG, sondern - als Folge des Bescheides des BAMF über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 10. April 2017 [...] - aus § 60 Abs. 1 AufenthG.

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass sich das gefundene Ergebnis entgegen dem Antragsvorbringen nicht zusätzlich daraus ergibt, dass "nach der aktuellen, seit dem 21. Februar 2024 gültigen Fassung von § 59 Abs. 1 AufenthG das Vorliegen von Abschiebungsverboten dem Erlass einer Abschiebungsandrohung entgegensteht". Der § 59 Abs. 1 Satz AufenthG regelt zwar, dass die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist anzudrohen ist, wenn keine Abschiebungsverbote vorliegen. Diese allgemeine Bestimmung wird aber durch die speziellere Vorschrift des § 59 Abs. 3 AufenthG dahin eingeschränkt, dass dem Erlass der Androhung Abschiebungsverbote nicht entgegenstehen, wenn der Ausländer - wie hier - auf Grund oder infolge einer strafrechtlichen Verurteilung ausreisepflichtig ist oder gegen ihn ein Auslieferungsverfahren anhängig ist. Der § 59 Abs. 3 AufenthG i.d.F. vom 20. Dezember 2023 verzichtet sogar auf diese Einschränkung. Für den hier zu entscheidenden Fall kommt es insoweit auf die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des Hessischen VGH (Beschluss vom 18. März 2024 - 3 B 1784/23 - juris Rn. 15 f.) nicht an. [...]