Obligatorische Anschlussversicherung auch für AsylbLG-Grundleistungsberechtigte
Auch bei Personen, die grundleistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind, setzt sich nach Wegfall einer versicherungspflichtigen Beschäftigung die gesetzliche Krankenversicherung in Form der "obligatorischen Anschlussversicherung" gem. § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V fort. Der eingeschränkte Leistungsbezug nach § 4 AsylbLG stellt keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 188 Abs. 4 S. 3 SGB V dar, die eine Fortsetzung der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließen würde. Eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 11 S. 3 SGB V im Rahmen des § 188 Abs. 4 S. 3 SGB V ist aufgrund entgegenstehender Regelungszwecke beider Vorschriften und des Fehlens einer unbewussten Regelungslücke ausgeschlossen.
(Leitsätze der Redaktion. Anmerkung: Ein Anspruch auf Übernahme der Beiträge gegenüber dem Sozialamt dürfte aus § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG bestehen, s. GGUA, Übernahme der GKV-Beiträge, https://www.ggua.de/aktuelles/einzelansicht/uebernahme-der-gkv-beitraege/)
[...]
11 2. Der Patient erfüllte nach § 188 4 Satz 1 SGB V die Voraussetzungen für den Zugang zur obligatorischen Anschlussversicherung. Er erklärte auch nicht seinen Austritt aus der Versicherung und war deshalb im Behandlungszeitraum bei der KK versichert. [...]
14 3. Der Zugang zur obligatorischen Anschlussversicherung war nicht nach § 188 4 Satz 3 SGB V ausgeschlossen. An die Stelle der bisherigen Versicherungspflicht trat weder eine andere Versicherungspflicht noch eine Familienversicherung (dazu a), noch war die obligatorische Anschlussversicherung aufgrund eines nachgewiesenen anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall ausgeschlossen (dazu b). [...]
17 Eine andere Versicherungspflicht ergab sich für den Patienten auch nicht aus § 5 1 Nr. 13 SGB V. Denn der Zugang zur obligatorischen Anschlussversicherung schließt eine nachrangige Auffang- Versicherungspflicht nach § 5 1 Nr. 13 SGB V von vornherein aus. Mit der obligatorischen Anschlussversicherung wollte der Gesetzgeber den Grundsatz des Vorrangs der freiwilligen Versicherung vor der nachrangigen Auffang-Versicherungspflicht des § 5 1 Nr. 13 SGB V stärken [...].
18 b) Ein Ausschluss aus der obligatorischen Anschlussversicherung ist auch nicht aus dem Grund eines nachgewiesenen anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall gegeben.
19 Der 12. Senat des BSG hat zum nachwirkenden Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft (§ 19 2 SGB V) im Verhältnis zur obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 4 SGB V entschieden, dass die Voraussetzung des anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nach § 188 4 Satz 3 SGB V nicht anders auszulegen ist als nach § 5 8a Satz 4 iVm § 5 1 Nr. 13 SGB V. [...]
21 4. Die obligatorische Anschlussversicherung ist schließlich nicht dadurch rückwirkend entfallen, dass die beigeladene AsylbLG-Trägerin mit Bescheid vom 6.4.2017 dem Patienten rückwirkend ab Dezember 2016 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bewilligte. Die Voraussetzungen des § 5 8a SGB V sind im vorliegenden Fall schon tatbestandlich nicht erfüllt (dazu a). § 5 11 SGB V ist nicht entsprechend anzuwenden (dazu b). [...]
26 b) Ein Wegfall der obligatorischen Anschlussversicherung vor den stationären Behandlungen des Patienten folgt auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 5 11 Satz 3 SGB V.
27 § 5 11 Satz 3 SGB V bestimmt: Bei Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG dem Grunde nach besteht.
28 Die Vorschrift erkennt die eingeschränkten Leistungen nach § 4 AsylbLG nur im Rahmen der Auffang-Pflichtversicherung gemäß § 5 1 Nr. 13 SGB V als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall an. Im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung gilt dies nicht. Eingeschränkte Leistungen nach § 4 AsylbLG stellen keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 188 4 Satz 3 SGB V dar. Eine entsprechende Anwendung des § 5 11 Satz 3 SGB V im Rahmen des § 188 4 Satz 3 SGB V ist aufgrund entgegenstehender Regelungszwecke beider Vorschriften und des Fehlens einer unbewussten Regelungslücke ausgeschlossen.
29 Der Regelungszweck des § 5 11 SGB V besteht darin, eine voraussetzungslose unkontrollierte erstmalige Aufnahme mittels der Auffang-Pflichtversicherung in die GKV auszuschließen. Berechtigte nach dem AsylbLG, die noch aus keinem anderen Grund eine Aufnahme in der GKV gefunden haben oder in den Schutz eines der GKV entsprechenden Sicherungsniveaus gelangt sind (insbesondere nach § 2 AsylbLG), sollen auch für die Absicherung im Krankheitsfall allein dem AsylbLG zugewiesen bleiben. [...] § 188 4 Satz 1 SGB V setzt demgegenüber gerade eine vorbestehende Versicherungspflicht oder eine Familienversicherung und damit eine vorbestehende besondere Nähe zur GKV voraus. Dies lässt sich nur mit der Vorstellung vereinbaren, dass das dortige Schutzniveau auch im Rahmen einer anderweitigen Absicherung nach § 188 4 Satz 3 SGB V gewährleistet sein soll.
30 Auch ist nichts für eine unbewusste Regelungslücke ersichtlich. Denn der Gesetzgeber hat § 188 4 Satz 3 SGB V geschaffen in Kenntnis der bestehenden Regelung in § 5 11 Satz 3 SGB V zum AsylbLG, ohne diese zu übernehmen [...].
31 Der Senat ist sich der für die KKn negativen beitragsrechtlichen Folgewirkungen dieser Lösung bewusst. Diese resultieren jedoch daraus, dass der Gesetzgeber an die Bewilligung von Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft einen Tatbestand zur Beendigung der obligatorischen Anschlussversicherung geknüpft noch eine Beitragszahlungspflicht der AsylbLG-Träger zumindest für die Vergangenheit vorgesehen hat. [...]