Rücknahme eines Chancen-Aufenthaltstitels unter anderem wegen antisemitischer Äußerungen
Eine Aufenthaltserlaubnis kann zurückgenommen werden, wenn im WhatsApp-Status antisemitische und das nationalsozialistische Unrecht verharmlosende Bilder und Äußerungen gepostet werden, die darauf schließen lassen, dass es sich bei dem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung lediglich um ein Lippenbekenntnis gehandelt hat. Angesichts des Inhalts der Äußerungen besteht kein Zweifel daran, dass die Haltung der Antragstellerin der freiheitlich demokratischen Grundordnung diametral entgegensteht.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Die Rücknahme der der Antragstellerin erteilten Aufenthaltserlaubnis ist offensichtlich rechtmäßig. [...]
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG NRW sind gegeben. Die am ... erteilte Aufenthaltserlaubnis war bei summarischer Prüfung von an Anfang an rechtswidrig. Die Antragstellerin hatte keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis unter anderem nur dann erteilt, wenn er sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt.
Diese Voraussetzung erfüllt die Antragstellerin nicht. Zwar hat sie am ... ein entsprechendes Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gegenüber dem Antragsgegner abgegeben. Es ist jedoch nach dem aktenkundigen Verhalten der Antragstellerin davon auszugehen, dass dieses Bekenntnis inhaltlich nicht zutrifft, sondern es sich offensichtlich um ein bloßes Lippenbekenntnis gehandelt hat. [...]
Im Übrigen muss für das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung die Bereitschaft bestehen, die grundlegenden Strukturprinzipien der deutschen Verfassungsordnung tatsächlich zu akzeptieren, wenn auch nicht notwendigerweise selbst zu leben. Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung umfasst die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat schlechthin unverzichtbaren Grundsätze. Dabei steht das Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) im Vordergrund. Dazu gehören weiter das Demokratieprinzip und der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 –, juris Rn. 529 ff.). [...]
Nach diesen Grundsätzen lassen die von der Antragstellerin in ihrem WhatsApp Status geposteten antisemitischen und das nationalsozialistische Unrecht verharmlosenden Bilder und Äußerungen in ihrer Gesamtschau klar erkennen, dass sie entgegen der von ihr abgegebenen Erklärung sich nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt.
Die Antragstellerin hatte nach den unstreitigen Feststellungen des Antragsgegners am ... in ihrem WhatsApp-Status ein Bild gezeigt, auf dem unter anderem sie selbst sowie ein Foto Adolf Hitlers mit der Bildunterschrift "Tamam Bruder" zu sehen ist. Am ... hat sie in ihrem WhatsApp-Status ein Bild von Adolf Hitler mit folgendem Text veröffentlicht: "Als der Führer des Nationalsozialismus in Europa, Adolf Hitler gefragt wurde, warum er den Holocaust in den Juden Europas begangen und 6 Millionen von ihnen verbrannt habe, sagte er: Ich hätte alle Juden auf der Welt töten können, aber ich habe einige von ihnen zurückgelassen, damit sie wissen, warum ich sie getötet habe." Am ... befanden sich zwei weitere Bilder mit antisemitischem Inhalt in ihrem WhatsApp-Status. Auf einem Bild ist die Erde im Würgegriff einer Schlange mit dem Davidstern zu sehen. Das andere Bild zeigt den israelischen Ministerpräsidenten blutüberströmt und enthält die Unterschrift "Children Killer" sowie in russischer Sprache "Kindermörder Israel".
Diese jedenfalls teilweise auch strafrechtlich relevanten Posts der Antragstellerin enthalten widerwärtige antisemitische Äußerungen. Angesichts des eindeutigen Inhalts dieser Äußerungen, die der Antragsgegner in der angefochtenen Ordnungsverfügung zutreffend gewürdigt hat, besteht kein Zweifel, dass die Antragstellerin zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung diametral entgegenstehende Positionen vertritt. Sie spricht einer ganzen Bevölkerungsgruppe die Menschenwürde ab und missachtet ihr Recht auf Leben. Zugleich macht sie sich über die Verbrechen und die Opfer des nationalsozialistischen Willkür- und Gewaltregimes lustig, wobei offen bleiben kann, ob der Post betreffend den israelischen Ministerpräsidenten noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. [...]