Aufenthaltsgesetz kennt keinen Abschiebegewahrsam:
Wird eine dem Aufenthaltsgesetz fremde Haft beantragt, hier Abschiebegewahrsam, und zudem die falsche Rechtsgrundlage benannt, hier § 58 Abs. 4 AufenthG, ist der Haftantrag unzulässig und der Haftbeschluss rechtswidrig. Das Aufenthaltsgesetz kennt den Ausreisegewahrsam gem. § 62b AufenthG und die Abschiebungshaft gem. § 62 AufenthG. Ein Abschiebegewahrsam ist gesetzlich nicht vorgesehen und kann auch nicht beantragt werden. Einer Umdeutung des Antrags steht bereits die mangelnde Begründung entgegen, die den Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 oder § 62b AufenthG entsprechen muss.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Vorliegend enthält der Antrag vom 15.11.2023 bereits keine gesetzliche Haftgrundlage. Weder wird dieser ausdrücklich als auf § 62 AufenthG gestützter Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft, noch als ein auf § 62b AufenthG gestützter Antrag auf Ausreisegewahrsam bezeichnet. Vielmehr begehrt die antragstellende Behörde einen Abschiebegewahrsam gemäß §§ 58 Abs. 4 AufenthG. § 58 Abs. 4 AufenthG stellt jedoch keine eigenständige Haftgrundlage dar, der es wegen des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht gern. Art. 2 Abs. 2 GG gem. § 106 Abs. 1 AufenthG bedarf. Der Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 15.11.2023 ordnet demgemäß auch einen Abschiebegewahrsam bis längstens zum Ablauf des 17.11.2023 an. Einen Abschiebegewahrsam kennt das AufenthG nicht. Das Gesetz sieht in Zusammenhang mit dem Wort Abschiebung die Haft nach § 62 AufenthG und im Zusammenhang mit einem Gewahrsam den Ausreisegewahrsam gemäß § 62b AufenthG vor. Zwar mag dem Antrag vom 15.11.2023 aufgrund der Nennung des Wortes Gewahrsam und Darstellung des Umstandes, dass lediglich eine kurzfristige Freiheitsentziehung beantragt wird, weil die Abschiebung bereits für den Folgetag geplant sei, zu entnehmen sein, dass ein Ausreisegewahrsam gemäß § 62b AufenthG beantragt sein soll. Diese Annahme kann auch gestützt werden durch den Vortrag der Behörde (Bl. 3 d.A Rückseite), dass die einzig taugliche Alternative zum Ausreisegewahrsam die Anordnung von Abschiebehaft wäre. Es ist jedoch zu sehen, dass zu den einzelnen Voraussetzungen des Ausreisegewahrsams gemäß § 62b Abs. 1 S.1 Nr. 1 bis 3 AufenthG nicht ausreichend vorgetragen wurde. Hinzu tritt, dass die Behörde nach Eingang der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erding in ihrer Stellungnahme vom 07.03.2024 ausdrücklich darauf hinweist, dass sie als Grundlage für die Freiheitsentziehung § 58 Abs. 4 AufenthG und begleitend § 62 AufenthG ansieht. Zudem wird die Auffassung vertreten, dass der Haftantrag in einen solchen auf Anordnung der Abschiebungshaft nach § 62 AufenthG umgedeutet werden kann. Dies führt zu dem Ergebnis, dass nach den eigenen Ausführungen der Behörde ein Antrag auf Ausreisegewahrsam gem. § 62b AufenthG jedenfalls nicht gestellt gewesen sein soll.
Als Folge des bereits unzulässigen Haftantrags erweist sich der Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 15.11.2023 als rechtswidrig (BGH a.a.O.). [...]