Integrationsministerium Schleswig-Holstein: Aktualisierte Anwendungshinweise zum Familiennachzug:
1. Anträge, bei denen die stammberechtigte oder nachziehende Person innerhalb der nächsten 6 Monate volljährig wird, sollen priorisiert behandelt werden.
2. Bei der Prüfung des Verzichts auf die Nachholung des Visumverfahrens beim Familiennachzug sollte in geeigneten Fällen von einer positiven Ermessensausübung Gebrauch gemacht werden. Dies kann dann der Fall sein, wenn das Visumverfahren zu einer mehrmonatigen Trennung minderjähriger Kinder und eines der Elternteile führen wird, die Behörde sich keine fundierte Vorstellung über die Dauer der Trennung bilden kann oder ein sehr kleines Kind (unter 3 Jahren) betroffen ist. Auch die Gefährdung bereits begonnener Integrationsmaßnahmen lassen eine positive Ermessensausübung zu, weil sie regelmäßig im öffentlichen Interesse sind.
(Zusammenfassung der Redaktion)
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Es wird empfohlen, die dargestellte Rechtslage bei der Beratung von Betroffenen in Ihren Behörden entsprechend zu berücksichtigen. Insbesondere können anerkannte Flüchtlinge auf die Möglichkeit eines Familiennachzugs auch nach eingetretener Volljährigkeit und die Notwendigkeit einer fristwahrenden Antragsstellung hingewiesen werden. Hinsichtlich subsidiär Schutzberechtigter kann jedenfalls auf die Bedeutung der Fristwahrung hingewiesen werden. [...]
Bei Visa-Beteiligungen in Familiennachzugsfällen zu anerkannten Flüchtlingen ist das Datum des Schutzgesuchs des/der Stamm berechtigten als Beurteilungszeitpunkt für das Kriterium der Minderjährigkeit entsprechend der o.g. Überlegungen heranzuziehen und bei Vorliegen der übrigen Erteilungsvoraussetzungen der Visumerteilung zuzustimmen.
In Fällen, in denen der/die Minderjährige während des laufenden Verfahrens volljährig wird, ist das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (z.B. Ledigkeit und Erfüllung der Passpflicht) sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts des Erreichens der Volljährigkeit, als auch zum Entscheidungszeitpunkt zu prüfen (Doppelprüfung).
Im Interesse eines zügigen Visumverfahrens sollten Anträge, bei denen der/die Stammberechtigte oder Nachziehende in Kürze, d.h. regelmäßig innerhalb der nächsten 6 Monate volljährig wird, vorrangig bearbeitet werden. In jedem Fall ist dafür Sorge zu tragen, dass nicht durch behördliche Verzögerungen das Recht auf Familiennachzug beeinträchtigt wird.
Auch in den übrigen Nachzugsfällen ist durch geeignete Priorisierungen sicherzustellen, dass das Visumverfahren zügig vorangetrieben wird und damit eine Trennung von minderjährigen Kindern und ihrer Kernfamilie auf ein zeitlich unabdingbares Maß beschränkt bleibt. [...]
Mit Blick auf die gesetzlichen Ausnahmevorschriften sowohl bei nachhaltiger Integration als auch qualifizierter Beschäftigung (z.B. §§ 25a und b, § 19d AufenthG), erscheint es aufgrund der besonderen Bedeutung der Kernfamilie vertretbar, auch beim Familiennachzug in geeigneten Fällen von einer positiven Ermessensausübung Gebrauch zu machen. Dies kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn ein Visumsverfahren bekanntermaßen zu einer mehrmonatigen Trennung minderjähriger Kinder und eines der beider Elternteile führen würde, die entscheidende Behörde sich keine fundierte Vorstellung über die Dauer der Trennung bilden kann oder aber ein noch sehr kleines (d.h. < 3 Jahre) Kind betroffen ist. Auch in Konstellationen, in denen die Nachholung des Visumverfahrens nicht nur mit Unannehmlichkeiten verbunden ist, sondern bereits begonnene Integrationsmaßnahmen (z.B. Erwerbstätigkeit, Ausbildung und Schulbesuch) gefährdet, ist die positive Ermessensausübung regelmäßig im öffentlichen Interesse. In Fällen, in denen ein Absehen entweder nicht möglich ist - weil kein gesetzlicher Anspruch besteht und das Visumverfahren zumutbar ist - oder aber ausnahmsweise das Ermessen negativ ausgeübt werden soll, ist ergänzend zu prüfen, ob eine Vorabzustimmung erteilt werden kann. Im Übrigen wird auf die Ausnahmetatbestände des § 39 AufenthV hingewiesen. [...]
Im Rahmen des Familiennachzugs bei bevorstehender oder eingetretener Volljährigkeit kommt der behördlichen Beratung i.S.d. § 83a LVwG besondere Bedeutung zu. Die fehlende Möglichkeit der Verlängerung des Aufenthaltstitels ist für die Betroffenen häufig unverständlich und überraschend. Eine frühzeitige Information - nach Möglichkeit bereits bei der ersten Vorsprache unmittelbar nach Einreise - kann dazu beitragen, dass sich die Betroffenen mit den aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten auseinandersetzen. Sofern hierfür im Einzelfall Anknüpfungspunkte bestehen, sollte ein behördlicher Hinweis auf die Möglichkeit des Zweckwechsels erfolgen. Ein Hinweis auf die Möglichkeit eines eigenen Asylantrags, insbesondere bei Vortrag eigener Verfolgungsgründe, ist ebenfalls zulässig. Durch die Stellung eines Asylantrags unverzüglich nach Einreise können Eltern eines minderjährigen Schutzberechtigten gegebenenfalls von Familienasyl i.S.d. § 26 Abs. 3 AsylG profitieren. Von einer anlasslosen Verweisung an eine Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zwecks Asylantragstellung ist abzusehen. Die Stellung eines Asylantrags hat auf eigenen Wunsch und Initiative der Betroffenen zu erfolgen.
In diesem Zusammenhang wird auch auf § 10 Abs. 2 AufenthG und § 55 Abs. 2 AsylG hingewiesen. Da die Wohnsitzverpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung - und damit jedenfalls zeitweilige Trennung von Mitgliedern der Kernfamilie vor Verteilung in die Kommunen - bei Antragstellung während der Gültigkeit eines Aufenthaltstitels mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten nicht entsteht (§ 14 Abs. 2 i.V.m. § 47 AsylG), können betroffene Nachziehende bei Vorsprache in Ihrer Behörde auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Hierdurch wird auch für die beteiligten Behörden ein späterer Mehraufwand durch Zuweisung und Zuständigkeitsfragen vermieden. [...]