Ablehnung als "offensichtlich unbegründet" bei oberflächlichem Vortrag und Widerspruch zu Herkunftslandinformationen:
1. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (neue Fassung vom 21.02.2024) kommt die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet in drei Fällen in Frage. Die Ablehnung kommt demnach in Betracht, wenn die schutzsuchende Person entweder (1.) eindeutig unstimmige und widersprüchliche, (2.) eindeutig falsche oder (3.) offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen. Dabei bezieht sich das Erfordernis des "Widerspruch[s] zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen" nur auf die dritte Variante der "offensichtlich unwahrscheinliche[n] Angaben".
2. Der noch in § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG alte Fassung genannte Grund der mangelnden Substantiierung kann eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n. F. nicht mehr rechtfertigen.
3. Ein mangelhaft substantiierter, gänzlich oberflächlicher und pauschaler Vortrag, dem trotz Nachfragen keinerlei Einzelheiten oder nachvollziehbare Erklärungen im Hinblick auf das vorgebrachte Verfolgungsschicksal zu entnehmen sind, kann gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aber dann zu einer Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet führen, wenn der Vortrag im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen steht.
4. Grundsätzlich sind junge, arbeitsfähige, volljährige Männer mit Kenntnissen des Landes und einer Landessprache und ohne Unterhaltslasten bei Rückkehr nach Guinea auch ohne familiäres Netzwerk voraussichtlich in der Lage, ihre grundlegenden Bedürfnisse ("Brot, Bett, Seife") zu decken. Sie werden nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit alsbald wegen der humanitären Bedingungen einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein, sodass kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen ist.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
24 a) An der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers bestehen keine ernstlichen Zweifel.
25 aa) Das Vorbringen des Antragstellers bietet keinen Anhalt für einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. [...]
26 bb) Ebenso wenig ist ein Anspruch des Antragstellers auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG ersichtlich. [...]
31 b) Das Offensichtlichkeitsurteil der Antragsgegnerin ist aller Voraussicht nach ebenfalls nicht zu beanstanden.
32 Die Antragsgegnerin hat sich in dem in der Hauptsache mit der Klage angefochtenen Bescheid – zwar ohne Begründung, jedoch im Ergebnis zutreffend – auf den Offensichtlichkeitstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützt. Hiernach ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, sodass die Begründung für seinen Asylantrag offensichtlich nicht überzeugend ist. Die Norm setzt Art. 32 Abs. 2 i. V. m. Art. 31 Abs. 8 Buchst. e der Richtlinie 2013/32/EU [...] vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (RL 2013/32/EU) um (vgl. BT-Drucksache 20/9463, S. 56) und hat dessen Wortlaut übernommen.
33 Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sind hier gegeben. Im Einzelnen:
34 Die Kammer versteht § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dahingehend, dass dieser drei Tatbestandsvarianten enthält. Demnach kommt eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach dieser Vorschrift (nur) in Betracht, wenn der Ausländer entweder (1.) eindeutig unstimmige und widersprüchliche, (2.) eindeutig falsche oder (3.) offensichtlich unwahrscheinliche Angaben, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, gemacht hat. Dabei geht die Kammer insbesondere davon aus, dass sich das Erfordernis des "Widerspruch[s] zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen" nur auf die dritte Tatbestandsvariante der "offensichtlich unwahrscheinliche[n] Angaben" bezieht. Diese Auslegung ergibt ein Vergleich der deutschen Fassung mit der englischen und der französischen Fassung des Art. 31 Abs. 8 Buchst. e der Richtlinie 2013/32/EU. [...] Das Erfordernis des Widerspruchs zu gesicherten Herkunftslandinformationen wird hier jeweils gerade nicht, wie in der deutschen Fassung, in einem durch Kommata abgetrennten Relativsatz genannt, der nach der Satzkonstruktion geeignet wäre, sich auf alle drei zuvor genannten Tatbestandsmerkmale zu beziehen.
35 Im vorliegenden Fall ist auch anzunehmen, dass der Antragsteller in diesem Sinne offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, sodass die Begründung für seinen Asylantrag offensichtlich nicht überzeugend ist. Zwar dürfte der noch in § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG a. F. genannte Vortragsmangel der mangelnden Substantiierung allein eine Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n. F. in Umsetzung von Art. 31 Abs. 8 Buchst. e RL 2013/32/EU nicht tragen können [...]. Auch ein Vortrag, der – wie im Fall des Antragstellers (s. o.) – als gänzlich oberflächlich und pauschal zu bewerten ist und dem trotz entsprechender Nachfragen keinerlei Einzelheiten oder nachvollziehbare Erklärungen im Hinblick auf das vorgebrachte Verfolgungsschicksal zu entnehmen sind, kann jedoch aus eben diesen Gründen als offensichtlich unwahrscheinlich angesehen werden. Kommt der Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen hinzu, vermag dies die Offensichtlichkeitsentscheidung zu rechtfertigen. So liegt es auch hier. Denn die vorgetragene Verfolgung des Antragstellers durch "Leute" bzw. "die Malinke" allein aufgrund der – in diesem Zusammenhang als wahr unterstellten – Mitgliedschaft seines Vaters in der UFDG und Betätigung für diese Partei, ohne dass der Antragsteller selbst Parteimitglied gewesen, sich politisch engagiert oder – nach eigenen Angaben – auch nur für Politik interessiert hätte, widerspricht den Erkenntnisquellen für das Herkunftsland Guinea des Antragstellers. Fälle von Sippenhaft sind gerade nicht bekannt [.... Ebenfalls bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine staatliche oder staatlich geduldete Gruppenverfolgung der Fulla [...].
39 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung innerhalb der Kammer, dass im Grundsatz ein junger, arbeitsfähiger, volljähriger Mann mit Kenntnissen des Landes und einer Landessprache ohne Unterhaltslasten bei Rückkehr nach Guinea auch ohne dort vorfindliches familiäres Netzwerk voraussichtlich seine grundlegenden Bedürfnisse ("Brot, Bett, Seife") wird decken können und nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit alsbald wegen der humanitären Bedingungen einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein wird (VG Hamburg, Urt. v. 22.4.2022, 5 A 3903/19, juris Rn. 86). Dies dürfte auch auf den Antragsteller zutreffen. Er leidet an keiner einer ärztlichen Behandlung bedürftigen oder schweren Krankheit. Er ist jung, aber volljährig und beherrscht mindestens Fulla. Zwar hat er nach eigenen Angaben keine Schule besucht, jedoch liegen für eine mangelnde Arbeitsfähigkeit keine Anhaltspunkte vor. Wie er im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates und der Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit seines Asylantrags am ... angab, hat er auch während seines mehrmonatigen Aufenthalts in Algerien gearbeitet. [...]