Keine Unterbrechung der Überstellungsfrist bei praktischer Unmöglichkeit der Überstellung:
1. Die Überstellungsfrist wird zwar regelmäßig durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unterbrochen. Wenn allerdings die aufschiebende Wirkung angeordnet wird, weil die Überstellung aus praktischen Gründen unmöglich ist, führt dies nicht zur Unterbrechung der Überstellungsfrist.
2. Selbstständig tragend ist die Zuständigkeit Italiens aber auch deshalb entfallen, weil eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Wenn hinreichend sicher feststeht, dass eine Überstellung nach Italien ausscheidet, gebietet der Beschleunigungsgrundsatz der Dublin-III-Verordnung, dass bereits jetzt von der Unmöglichkeit der Überstellung auszugehen ist.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Ziffer 1 des Bescheides, mit dem der Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt wurde, lässt sich nicht (mehr) auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) AsylG stützen, weil die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin nach der Dublin III-Verordnung nicht (mehr) gegeben ist.
Dies gilt aus zwei voneinander unabhängigen und selbstständig tragenden Gründen: [...]
Bei einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung wird die Überstellungsfrist zwar regelmäßig unterbrochen und erst mit dem ablehnenden Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erneut in Lauf gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 – 1 C 15/15 –, juris, Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2016 – 13 A 2238/15.A –, juris, Rn. 24 ff.).
Eine Entscheidung, die – wie hier – eine aufschiebende Wirkung aber allein deshalb anordnet, weil eine Überstellung des Ausländers aus praktischen Gründen unmöglich ist, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs indes nicht geeignet, die Überstellungsfrist zu unterbrechen. Er hat ausgeführt, der Unionsgesetzgeber sei nicht der Ansicht, dass sich die praktische Unmöglichkeit, eine Überstellungsentscheidung durchzuführen, für eine Rechtfertigung der Unterbrechung oder der Aussetzung der in Art. 29 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung bezeichneten Überstellungsfrist eigne. Er habe nämlich keine allgemeine Bestimmung in diese Verordnung aufgenommen, die eine solche Unterbrechung oder eine solche Aussetzung vorsehe (vgl. EuGH, Urteil vom 22. September 2022 - C-245/21 -, juris, Rn. 65 f.; Urteil vom 12. Januar 2023 - C-323/21 bis C-325/21 -, juris, Rn. 69 f.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2023 – 29 K 3075/23.A –, juris, Rn. 26 ff.; Beschluss vom 30. November 2023 – 12 L 2970/23.A –, juris, Rn. 20). [...]
II) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ist – selbstständig tragend – auch gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-Verordnung im Wege der Ermessensreduzierung auf Null entfallen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Artikel 3 Absatz 1 beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Die Ermessensreduktion ergibt sich aus dem Beschleunigungsgrundsatz der Dublin III-Verordnung: Steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichend sicher fest, dass innerhalb der nächsten sechs Monate eine Überstellung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein wird oder durchgeführt werden kann, so gebietet der dem Dublin-System innewohnende Beschleunigungsgedanke, dass bereits jetzt von einer Unmöglichkeit der Überstellung und damit dem künftigen Zuständigkeitsübergang auszugehen ist (vgl. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung) (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2017 – 11 A 585/17.A –, juris, Rn. 6 ff.; OVG Saarland, Urteil vom 9. März 2017 - 2 A 365/16 -, juris, Rn. 35; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Juli 2016 - A 11 S 974/16 -, juris, Rn. 44). [...]