Hauptsacheentscheidung in Haftsache ist auch nach einstweiliger Anordnung unverzüglich zu treffen:
1. Wurde Haft gemäß § 427 FamFG zunächst per einstweiliger Anordnung angeordnet, liegen aber vor Ende der einstweiligen Anordnung die Voraussetzung für den Erlass einer Hauptsacheentscheidung gemäß § 422 FamFG vor, muss diese zeitnah ergehen. Andernfalls ist die Haft ab diesem Zeitpunkt rechtswidrig.
2. Das Gericht kann in diesem Fall also nicht bis zum Ende der einstweiligen Anordnung warten, um eine Entscheidung in der Hauptsache zu treffen. Denn das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein von der Hauptsache unabhängiges Verfahren und stellt die betroffene Person gegenüber der Entscheidung in der Hauptsache schlechter. Insbesondere ist die Beschwerde zum BGH bei einstweiligen Anordnungen ausgeschlossen, § 70 Abs. 4 FamFG.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Auf Antrag des Betroffenen wird festgestellt, dass der Vollzug der mit Beschluss des Amtsgerichts Laufen vom 08.07.2022 angeordneten Haft zur Sicherung der Zurückschiebung den Betroffenen in dem Zeitraum vom 30.07.2022 bis zu seiner Entlassung aus der Haft am 03.08.2022 in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen wird die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. [...]
2.3. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen einwendet, dass nach Vorliegen der Voraussetzungen einer Hauptsacheentscheidung eine solche auch ergehen müsse, zumal eine einstweilige Anordnung den Betroffenen schlechter stelle, folgt die Kammer dem. Die Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) sind nach § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG unterscheiden sich von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG. Deshalb kann eine Freiheitsentziehung als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtswidrig sein und umgekehrt (vgl. BGH vom 16.09.2015, V ZB 40/15). Daraus ist zu folgern, dass nach Vorliegen der Voraussetzungen der Hauptsache eine solche auch zeitnah ergehen muss. Die beteiligte Behörde setzt in ihren Anträgen nach Vorliegen der Zustimmung des zuständigen Staates regelmäßig eine Woche für die Erstellung des Bescheides durch das BAMF, die Erstellung des Antrages für die Verlängerung der Haft und das Ergehen der Entscheidung in der Hauptsache einen Zeitraum von einer Woche an. Die Erforderlichkeit dieses Zeitraumes erachtet die Kammer für schlüssig und nachvollziehbar. In diesem Zeitraum hat - wenn nicht dargelegte Gründe eine längere Dauer erfordern - eine Entscheidung in der Hauptsache zu erfolgen. Soweit dies ohne ersichtlichen Grund nicht erfolgt, ist die darüber hinausgehende Haft rechtswidrig.
Vorliegend hat die beteiligte Behörde dargelegt, dass Bulgarien einer Übernahme des Betroffenen am 23.07.2022 zugestimmt hat und am 27.07.2022 ein Antrag auf Verlängerung der Anordnung der Freiheitsentziehung beim Amtsgericht Erding gestellt worden ist. Damit hätte spätestens bis 30.07.2022 eine Entscheidung in der Hauptsache ergehen müssen. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit ist daher ab diesem Zeitpunkt bis zur Überstellung des Betroffenen am 03.08.2022 begründet. [...]