VG Osnabrück

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Zitieren als:
VG Osnabrück, Beschluss vom 04.03.2024 - 6 A 19/24 - asyl.net: M32244
https://www.asyl.net/rsdb/m32244
Leitsatz:

Todesdrohungen begründen keinen Anspruch auf länderübergreifende Umverteilung:

1. Sucht eine Frau vor Todesdrohungen und Gewalt ihres Ehemannes und dessen Familie mit ihren Kindern Schutz in einem Frauenhaus, kann sie diesen Schutz auch in dem Bundesland finden, in dem sie lebt (hier: Niedersachsen). Es ist nicht ersichtlich, warum sie in einem anderen Bundesland, in dem ihr vertraute Personen leben, (hier: Saarland) mehr Schutz erfahren würde, sodass keine humanitären Gründe gemäß § 51 Abs. 1 AsylG vorliegen, die einen Anspruch auf länderübergreifende Verteilung begründen würden.

2. Im Übrigen muss sich die Klägerin - wie andere in Niedersachsen lebende Frauen, die Angst vor ihrem Mann haben - darauf verweisen lassen, um den Schutz der Polizei nachzusuchen. Letztlich kann die Möglichkeit, Schutz vor kriminellen Übergriffen durch staatliche Behörden zu erhalten, nicht deshalb verneint werden, weil dieser Schutz nicht lückenlos ist.

(Leitsätze der Redaktion; anderer Ansicht, wonach häusliche Gewalt, etwa durch den Ehepartner, die Zuweisung an einen bestimmten Ort erfordern kann, vor allem wenn die Ehefrau an diesem Ort Familienangehörige oder andere Vertraute hat und wonach sie in diesem Fall nicht auf die Möglichkeit eines Frauenhauses am Zuweisungsort verwiesen werden kann: VG Göttingen, Urteil vom 17.11.2005 - 4 A 169/05 - ni-voris; siehe auch: Landesbehörden Schleswig-Holstein, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 14.06.2021 - asyl.net: M29709)

Schlagwörter: häusliche Gewalt, Drohung, Umverteilung, länderübergreifende Umverteilung, Frauenhaus,
Normen: AsylG § 51 Abs. 1, GG Art 2 Abs. 2 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Klägerin begehrt ihre Umverteilung in das Saarland. [...]

Die Klägerin beabsichtigt nach eigenen Angaben, sich von ihrem Ehemann zu trennen und sich scheiden zu lassen. Dieser befinde sich inzwischen mit seiner Zweitfrau in Bulgarien. Er drohe, sie zu töten und ihr die Kinder wegzunehmen. Wegen dieser Drohung hat sie gegen ihren Ehemann Strafanzeige wegen Nötigung hergestellt. [...]

Die Klägerin habe Bekannte im Saarland, deshalb sei sie am … 2023 mit ihren Kindern bei ihrem Bekannten in Saarbrücken angekommen. [...]

Mit Schreiben vom … 2023 beantragte die Klägerin ihre länderübergreifende Umverteilung in das Saarland mit der Begründung, sie habe vor Gewalt durch ihre Schwiegereltern und Bedrohung durch den Vater ihrer Kinder dorthin flüchten müssen. Ihr Ehemann drohe, sie zu töten, sie habe Informationen, dass er sich von der Türkei aus auf dem Weg nach Deutschland gemacht habe, um dieses Vorhaben umzusetzen. Bei einer Rückkehr ... wäre ihr Leben in Gefahr. Die Klägerin legte außerdem eine Stellungnahme der .. vom ... 2023 vor, wonach auf Basis der Angaben der Klägerin sie im Rahmen einer Risikoeinschätzung zum Ergebnis gekommen sei, dass die Familie in ... einem hohen Risiko ausgesetzt wäre. [...] Eine möglichst große räumliche Distanz zur Familie des Ehemannes sei erforderlich.

Durch Bescheid vom 15.1.2024 lehnte das Landesverwaltungsamt Saarland - Zentrale Ausländerbehörde - den Antrag der Klägerin auf länderübergreifende Umverteilung von Niedersachsen in das Saarland ab. [...]

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.1.2024 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. [...]

Gemäß § 51 Abs. 1 AsylG kommt eine länderübergreifende Umverteilung nur dann in Betracht, wenn der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht Rechnung getragen werden muss.

Solche humanitären Gründe liegen nicht vor. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin gerade im Saarland Schutz vor ihrem Ehemann und ihren Schwiegereltern finden will. Die Klägerin hält sich dort offenbar auch weiterhin in einem Frauenhaus auf. Schutz in einem Frauenhaus kann aber auch in Niedersachsen gewährt werden. Auch die Gefahr, dass die Klägerin von Bekannten oder Verwandten ihres Ehemannes aufgespürt wird, besteht im Saarland ebenso wie in Niedersachsen. [...]

Im Übrigen muss sich die Klägerin - wie andere in Niedersachsen lebende Frauen, die Angst vor ihrem Mann haben - darauf verweisen lassen, dass sie um den Schutz der Polizei nachsuchen muss. Letztlich kann die Möglichkeit, Schutz vor kriminellen Übergriffen durch staatliche Behörden zu erhalten, nicht deshalb verneint werden, weil dieser Schutz nicht lückenlos ist. Es ginge an einer der Lebenswirklichkeit entsprechenden Einschätzung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden vorbei, einen lückenlosen Schutz vor kriminellen Übergriffen, fordern zu wollen [...]. Dies gilt für Niedersachsen ebenso wie für das Saarland. [...]