Darlegungserfodernisse bei Verletzung rechtlichen Gehörs wegen fehlerhafter Einführung von Erkenntnismitteln:
"Bei nicht ordnungsgemäßer Einführung von Erkenntnismitteln ist zur Darlegung eines Gehörsverstoßes auszuführen, in welchem Zusammenhang das Verwaltungsgericht das jeweilige Erkenntnismittel herangezogen hat, inwieweit die in dem Erkenntnismittel enthaltenen Tatsachen oder die hieraus von dem Verwaltungsgericht gezogenen Schlüsse unzutreffend sind und was bei ordnungsgemäßer Einführung in Bezug auf die in diesem Erkenntnismittel enthaltenen Tatsachen vorgetragen worden wäre."
(Amtliche Leitsätze; siehe auch: OVG Thüringen, Beschluss vom 22.01.2021 - 3 ZKO 428/18 - asyl.net: M29528)
[...]
Die Berufung ist nicht wegen des von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgrunds der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. [...]
Die Kläger zeigen mit ihrem Zulassungsantrag auch nicht auf, dass dieses Erkenntnismittel nicht ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt und ihnen dadurch die Möglichkeit, sich hierzu zu äußern, genommen worden sei. In welcher Form das Verwaltungsgericht Erkenntnismittel in das Verfahren einzuführen hat, ist nicht ausdrücklich geregelt. Ausreichend und üblich ist es, dass das Gericht den Beteiligten eine Liste der Erkenntnismittel übersendet und diese zur Einsicht vorhält. Diese Vorgehensweise ist aber nur eine von mehreren Möglichkeiten (GK-AsylG, § 78 Rn. 341, Stand: März 2019). Hier hat das Verwaltungsgericht – wie bereits ausgeführt – mit der Eingangsbestätigung vom 3. Dezember 2021 auf die Möglichkeit der Übersendung der Erkenntnismittelliste auf Anforderung hingewiesen und in der mündlichen Verhandlung die in der Kammer geführte Liste der Erkenntnismittel zur Lage in Georgien mit Stand vom 21. März 2022 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht sowie den Klägern die Erkenntnismittelliste ausgehändigt. Diese Verfahrensweise lässt nicht ohne Weiteres auf eine nicht ordnungsgemäße Einführung der Erkenntnismittel schließen. Für den Zeitpunkt der Einführung gilt zwar, dass ein gewissenhafter Verfahrensbeteiligter die realistische Chance haben muss, die eingeführten Erkenntnismittel einzusehen und sich sachgerecht zu äußern, so dass die erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgende Einführung einer umfangreichen Erkenntnismittelliste im Regelfall den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.1.1997 - 13 A 5120/96.A -, juris Rn. 6 f. zu einer Erkenntnismittelliste mit mehr als 600 Auskünften und Berichten; ferner GKAsylG, § 78 Rn. 340, Stand: März 2019). Die Kläger verhalten sich mit ihrem Zulassungsantrag aber nicht zu der hier erfolgten Einführung der Erkenntnismittelliste und machen nicht einmal im Ansatz oder sinngemäß geltend, dass für sie wegen der Einführung der Erkenntnismittelliste erst in der mündlichen Verhandlung keine hinreichende Kenntnisnahmemöglichkeit für die vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigten Erkenntnismittel bestanden hat. Dies drängt sich mit Blick darauf, dass die Kläger bereits mit der Eingangsbestätigung und erneut zu Beginn der mündlichen Verhandlung auf die beim Gericht geführte Erkenntnismittelliste und ihren Zweck der Erkenntnismittelliste hingewiesen worden sind und die ihnen ausgehändigte Erkenntnismittelliste in etwa 50 Berichte und Auskünfte zu dem Herkunftsland Georgien enthält, für den Senat auch nicht ohne Weiteres auf, ohne dass es hierzu einer näheren Darlegung durch die Kläger in ihrem Zulassungsantrag bedurft hätte.
Selbst wenn man hier trotz des insoweit unzureichenden Zulassungsvorbringens von einer nicht rechtzeitigen und daher nicht ordnungsgemäßen Einführung der Erkenntnismittel ausgeht, führt dies jedoch nicht zur Zulassung der Berufung wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs. Denn die Verletzung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung auf dem Fehlen des rechtlichen Gehörs beruht. Das ist aber nur dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beteiligten zu einer anderen und für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich nämlich nur auf entscheidungserhebliches Vorbringen. Demzufolge muss vom Zulassungsantragsteller auch in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz dargelegt werden, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, mithin weshalb der geltend gemachte Gehörsverstoß entscheidungserheblich ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.1.2024 - 9 LA 233/21 -, juris Rn. 25 und Beschl. v. 10.7.2019 - 10 LA 35/19 -, juris Rn. 7; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 29.12.2004 - 1 B 91.04 -, juris Rn. 3). Bei nicht ordnungsgemäßer Einführung von Erkenntnismitteln ist daher auszuführen, in welchem Zusammenhang das Verwaltungsgericht das jeweilige Erkenntnismittel herangezogen hat, inwieweit die in dem Erkenntnismittel enthaltenen Tatsachen oder die hieraus von dem Verwaltungsgericht gezogenen Schlüsse unzutreffend sind und was – bei ordnungsgemäßer Einführung – in Bezug auf die in diesem Erkenntnismittel enthaltenen Tatsachen vorgetragen worden wäre. Denn nur auf dieser Grundlage kann geprüft und entschieden werden, ob auszuschließen ist, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen, für den Kläger günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.1.2024 - 9 LA 233/21 -, juris Rn. 25 und Beschl. v. 10.7.2019 - 10 LA 35/19 -, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 9.2.2022 - 19 A 544/21.A -, juris Rn. 19). [...]