Zurückverweisung eines Dublin-Verfahrens bezüglich Italiens an das OVG:
Ein Asylantrag darf nur dann als unzulässig abgelehnt werden, wenn im zuständigen Mitgliedstaat keine systemischen Schwachstellen bestehen. Allein der Verweis auf die fehlende Rückübernahmebereitschaft Italiens begründet keine systemischen Schwachstellen. Das Gericht hätte sich vielmehr mit den Lebensumständen, die Schutzsuchende zu erwarten haben, auseinandersetzen und auf die Zustände in den italienischen Aufnahmeeinrichtungen eingehen müssen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
9 Das vom Oberverwaltungsgericht angenommene Vorliegen systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat, die für Antragsteller die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC mit sich bringen (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013), schließt sowohl eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 RL 2013/32/EU (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. [ECLI:EU:C:2019:219], Ibrahim - Rn. 101) als auch eine Überstellung in diesen Mitgliedstaat (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], Jawo - Rn. 87) aus. Hieraus folgt, dass ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG nur dann als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn im zuständigen Mitgliedstaat keine systemischen Schwachstellen im bezeichneten Sinne bestehen. Liegen solche vor, kann weder eine Unzulässigkeitsentscheidung noch eine Überstellungsentscheidung (in Form der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG) ergehen. [...]
12 2. Die Beschwerde rügt jedoch zu Recht einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann. Die Beschwerde legt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar, dass das Oberverwaltungsgericht mangels einer erforderlichen Tatsachengrundlage nicht zu der Überzeugungsgewissheit gelangen konnte, Art. 4 GRC sei allein wegen durch die Rückübernahmeverweigerung Italiens begründeter systemischer Schwachstellen verletzt.
13 [...] Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Klägerin drohe die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, entbehrt jeder Begründung in tatsächlicher Hinsicht, die auch unionsrechtlich geboten ist, und erweist sich daher mangels objektiver Grundlage für die Überzeugungsbildung als verfahrensfehlerhaft. [...]
15 Eine derartige Prüfung von Schwachstellen, deren Vorliegen auch nach den Obersätzen des Oberverwaltungsgerichts erforderlich ist, lässt der Beschluss gänzlich vermissen. Das Oberverwaltungsgericht legt zwar ausführlich die fehlende Aufnahmebereitschaft Italiens dar, nicht aber eine daraus folgende Gefahr der extremen materiellen Not für den Einzelnen. Vielmehr bleiben die Lebensumstände, die die Klägerin dort im Falle einer Überstellung erwarten würden, darunter auch die Zustände in den italienischen Aufnahmeeinrichtungen, im Ergebnis offen. Soweit das Oberverwaltungsgericht aus der Erklärung Italiens zur Aufnahmeverweigerung wegen mangelnder Aufnahmekapazitäten auf systemische Schwachstellen schließt, kann diese Erklärung lediglich ein Indiz begründen. Sie reicht aber – insbesondere wegen der von dem Oberverwaltungsgericht selbst aufgeworfenen Frage, ob die Begründung nur vorgeschoben sei (BA S. 12) – nicht für die Schlussfolgerung auf systemische Mängel im oben bezeichneten Sinne. Hierfür bedarf es vielmehr der weiteren Darlegung, wie sich die Verhältnisse in Italien im Falle einer (unterstellten) Rücküberstellung, unter Berücksichtigung ggf. vorhandener Vulnerabilitäten, darstellen, an der es fehlt. [...]