BVerfG

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Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 04.12.2023 - 2 BvR 1694/23 - asyl.net: M32061
https://www.asyl.net/rsdb/m32061
Leitsatz:

Einstweilige Anordnung gegen die Auslieferung einer Person in die Türkei:

1. Das Oberlandesgericht könnte seine Aufklärungspflichten hinsichtlich der Gewährung prozessualer Mindestrechte verletzt haben, weil die ausländischen Strafurteile zum Teil in Abwesenheit der betroffenen Person ergangen sind und zum Teil widersprüchliche Angaben enthalten.

2. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht mögliche und erforderliche Vorkehrungen zur Verhinderung eines erneuten Suizidversuchs der betroffenen Person nicht hinreichend aufgeklärt hat.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Auslieferung, Türkei, Suizidgefahr,
Normen: BVerfGG § 32, BVerfGG § 93d Abs. 2, GG Art. 19 Abs. 4
Auszüge:

[...]

a) Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein insgesamt unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es erscheint vielmehr möglich, dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig, mit der die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig erklärt wurde, diesen in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. Das Oberlandesgericht könnte seine Aufklärungspflichten hinsichtlich der Gewährung prozessualer Mindestrechte verletzt haben, weil die ausländischen Strafurteile, zu deren Vollstreckung ausgeliefert werden soll, zum Teil in Abwesenheit des Beschwerdeführers ergangen sind (vgl. BVerfGE 59, 280 <282 ff.>; 63, 332 <337 f.> m.w.N.; BVerfGK 6, 13 <17>); insbesondere enthalten die von den türkischen Behörden vorgelegten Unterlagen in Bezug auf das Urteil des 12. Strafgerichts erster Instanz Bakirköy vom 16. April 2015 widersprüchliche Angaben zur An- oder Abwesenheit des Beschwerdeführers. Zudem erscheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht die Gefahr eines erneuten Suizidversuchs beziehungsweise mögliche und erforderliche Vorkehrungen zu dessen Verhinderung während des Transports des Beschwerdeführers und dessen anschließender Inhaftierung in der Türkei nicht hinreichend aufgeklärt hat. [...]