VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 03.11.2023 - 3 B 745/23 - asyl.net: M32045
https://www.asyl.net/rsdb/m32045
Leitsatz:

Kein Aufenthaltsrecht aus Schengenabkommen bei Absicht langfristigen Aufenthalts:

1. Gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ können sich Drittstaatsangehörige, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis eines Schengenstaats sind, in einem anderen Schengenstaat bis zu drei Monaten rechtmäßig aufhalten.

2. Verfolgt eine Person, die im Besitz eines Aufenthaltstitels eines anderen Schengen-Staates ist, bereits bei ihrer Einreise die Absicht, dauerhaft im Bundesgebiet zu leben, ist der Aufenthalt nicht gemäß Art. 21 SDÜ rechtmäßig.

(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2019 - 11 S 21.18 - asyl.net: M27077; OVG Hamburg, Beschluss vom 01.06.2018 - 1 Bs 126/17 - asyl.net: M26483)

Schlagwörter: Aufenthaltstitel, Schengener Durchführungsübereinkommen, Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Einreise, langfristiger Aufenthalt, vorübergehender Aufenthalt
Normen: SDÜ Art. 21 Abs. 1, AufenthG § 81 Abs. 3 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Antragstellerin macht mit der Beschwerdebegründung vom 2. Juni 2023 geltend, der Aufenthalt der Antragstellerin nach der letztmaligen Einreise in das Bundesgebiet sei rechtmäßig gewesen, sodass die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG eingetreten sei. [...]

Im vorliegenden Fall war die Antragstellerin als indische Staatsangehörige bei ihrer Einreise ins Bundesgebiet zwar im Besitz eines die Anwendbarkeit des Art. 21 Abs. 1 SDÜ grundsätzlich eröffnenden Aufenthaltstitels eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union. Denn bei dem der Antragstellerin am 22. Januar 2022 in Portugal erteilten, bis zum 20. Januar 2024 gültigen Aufenthaltsnachweis (Título de Residência) handelt es sich um einen befristeten (Temporário) Aufenthaltstitel im Sinne dieser Regelung. [...]

Art. 21 Abs. 1 SDÜ erlaubt Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet allerdings nur für Kurzaufenthalte von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen. Verfolgt der Ausländer - wie vorliegend die Antragstellerin - bereits bei der Einreise die Absicht, diesen zeitlichen Rahmen zu überschreiten, bedarf er für den beabsichtigten Daueraufenthalt eines nationalen Visums. Aufgrund der Aktenlage folgt das Gericht der Einschätzung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main, dass die Antragstellerin schon im Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet einen Daueraufenthalt geplant hatte.[...]

Der Aufenthalt ohne nationales Visum wäre gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ daher nur rechtmäßig gewesen, wenn die Antragstellerin in der Absicht einreiste, sich nicht dauerhaft, sondern nur für maximal 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet aufzuhalten (so VGH Kassel, Beschluss vom 4. Juni 2014 - 3 B 785/14 -, juris Rdnr. 7; VGH Mannheim, Beschluss vom 22. März 2023 - 12 S 474/22 -, juris Rdnr. 7; OVG Bremen, Urteil vom 9. März 2020 - 2 B 318/19 -, juris Rdnr. 9 m.w.N.; OVG Berlin, Beschluss vom 28. Februar 2019 - OVG 11 S 21.18 -, juris Rdnr. 11; OVG Hamburg, Beschluss vom 1. Juni 2018 - 1 Bs 126/17 -, juris Rdnr. 17 f.). [...]