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VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Beschluss vom 18.10.2023 - 5 L 837/23 - asyl.net: M31916
https://www.asyl.net/rsdb/m31916
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Ungarn wegen systemischer Mängel:

1. Das ungarische Asylsystem weist systemische Mängel auf, weil dort Schutzsuchenden bei einer Überstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

2. Es kann daher offen bleiben, ob die Unzulässigkeitsentscheidung aus formellen Gründen rechtswidrig ist, weil kein persönliches Gespräch i.S.v. Art. 5 Dublin-III-VO stattfand.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Dublinverfahren, persönliches Gespräch, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Ungarn, systemische Mängel, Dublin III-Verordnung,
Normen: VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2, VO 604/2013 Art. 5, AsylG § 34a, AsylG § 34a Abs. 2 S. 1, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4
Auszüge:

[...]

Ausgehend von diesen Maßstäben weisen die Verhältnisse in Ungarn Mängel auf, die als systemische Schwachstellen im oben beschriebenen Sinne die Gefahr einer Verletzung der Gewährleistungen aus Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK in sich bergen würden.

So entspricht es bereits der langjährigen ständigen Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, dass das ungarische Asylverfahren systemische Mängel aufweist, weil dort Asylbewerbern bei einer Überstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.V. Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht. [...]

An dieser Rechtsprechung hält die Kammer weiter fest, da unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse immer noch davon auszugehen ist, dass ungarische Asylsystem systemische Mängel aufweist. Die Kammer folgt insoweit der überwiegenden Rechtsprechung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. [...]

Offen kann deshalb bleiben. ob die Unzulässigkeitsentscheidung möglicherweise auch aus formellen Gründen rechtswidrig ist, weil kein persönliches Gespräch mit dem Kläger, das Art. 5 Dublin III-VO verpflichtend vorschreibt, durchgeführt worden ist. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO führt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern, ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller. Eine Anhörung des Antragstellers zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1-4 AsylG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylG wurde im vorliegenden Fall aber nicht durchgeführt. Soweit das Bundesamt den Antragsteller am 24.01.2023 zu seinen Asylgründen angehört hat, ist fraglich, ob dies den Anforderungen des Art. 5 Dublin III-VO genügt. Denn ausweislich der Niederschrift wurden in dem betreffenden Gespräch keine spezifischen Fragen gestellt, die für die Bestimmung des nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaates dienlich sind. Auch war ein Verzicht auf das persönliche Gespräch vorliegend nicht zulässig, da die entsprechenden Voraussetzungen nach der Dublin III-VO nicht vorlagen. Da jedoch der Antrag des Antragstellers bereits im Hinblick auf die bestehende Zuständigkeit der Antragsgegnerin für das Asylverfahren des Antragstellers Erfolg hat, muss die Frage eines formellen Mangels nicht abschließend geklärt werden. [...]