VG München

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Zitieren als:
VG München, Beschluss vom 18.09.2023 - M 27 K 23.3532 (Asylmagazin 12/2023, S. 446 f.) - asyl.net: M31903
https://www.asyl.net/rsdb/m31903
Leitsatz:

Zum ununterbrochenen Voraufenthalt beim Chancen-Aufenthaltsrecht:

Ein ununterbochener Voraufenthalt liegt schon bei nur kurzfristig vollstreckbarer Ausreisefrist nicht mehr vor.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Chancen-Aufenthaltsrecht, ununterbrochener Aufenthalt, Reisedokument, Heimreisedokument,
Normen: AufenthG § 104c, AufenthG § 85
Auszüge:

[...]

25 Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller insbesondere aufgrund einer faktischen Duldung wegen eines Nichtbetreibens der Durchsetzung der Ausreisepflicht bzw. einer (konkludent) erteilten Verfahrensduldung als Geduldeter anzusehen ist. Denn er verfügte zum Stichtag jedenfalls über keinen ununterbrochenen Voraufenthalt, sodass nicht alle kumulativ erforderlichen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. [...]

27 Der Kläger hielt sich nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss seines Asylverfahrens nicht mehr gestattet (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG), nach dem Vorliegen des Heimreisescheins ab ... und der Nichtverlängerung der (rechtswidrig) erteilten Duldung nach dem ... nicht mehr geduldet und auch nicht mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet auf. Nach den Ausführungen im Verfahren hinsichtlich einer Duldungserteilung (vgl. Urteil der 10. Kammer v. 17.3.2022 – M 10 K 21.3767 – Rn. 12-16; bestätigend BayVGH, B.v. 7.9.22 – 10 ZB 22.1187 – Rn. 6-8) – denen sich die Kammer anschließt – hatte der Antragsteller ab dem 21. Januar 2022 keine Duldung mehr und auch sonst keinen Anspruch auf Erteilung einer solchen mehr. [...]

29 Es ist auch nicht maßgeblich, wie lange eine Duldung des Antragstellers zwischen Auslaufen der erteilten Duldung am ... und dem Eintritt einer Duldung aufgrund eines nicht nur kurzfristen Nichtbetreibens der Abschiebung (vgl. BVerfG, B.v. 6.3.2003 – 2 BvR 397/02 – juris Rn. 37 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 25.9.1997- 1 C 3.97 – juris Rn. 23 f.; vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2023 – 19 CE 22.2222 – juris Rn. 16) nicht bestand. Vielmehr liegt ein "ununterbrochener Voraufenthalt" im Sinne des § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch schon bei nur kurzfristig vollstreckbarer Ausreisefrist nicht mehr vor. Zwar sollen nach dem gesetzgeberischen Willen "kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthalts im Bundesgebiet von bis zu drei Monaten, die keine Verlegung des Lebensmittelpunkts beinhalten," als unschädlich behandelt werden (vgl. BT-Drs. 20/3717, S. 44 f.). Eine Ausnahme von der Beurteilung als ununterbrochen soll jedoch lediglich hinsichtlich des Aufenthalts im Bundesgebiet ohne Verlegung des Lebensmittelpunkts bestehen. Ersichtlich sollen damit nur kurzfristige, lose Aufenthalte außerhalb des Bundesgebietes etwa zu Besuchszwecken ausgenommen werden (vgl. so auch VG Gelsenkirchen, B.v. 27.3.2023 – 8 L 405/23 – juris Rn. 32). Anhaltspunkte dafür, dass dies nach dem Willen des Gesetzgebers auch für (bloß unerhebliche) Unterbrechungen des Aufenthaltsstatus unabhängig von einer tatsächlichen Aufenthaltsunterbrechung im Bundesgebiet gelten soll, ergeben sich nicht. Dies gilt insbesondere bei einer (zeitweiligen) Beendigung des bloß mehr geduldeten Aufenthalts aufgrund einer Passpapiervorlage. Denn in diesem Fall bedarf es zum Erreichen des Gesetzeszwecks, die Identitätsklärung und die Erfüllung der Passpflicht zu erwirken, der Erteilung eines Chancen-Aufenthaltsrechts nicht mehr. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus § 85 AufenthG (entsprechend), auf den im Rahmen des § 104c AufenthG nicht verwiesen wird und der auch lediglich Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts unbeachtlich lässt. Ein lediglich geduldeter Aufenthalt stellt nach § 4 AufenthG keinen rechtmäßigen Aufenthalt dar. [...]