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Zitieren als:
Landesbehörden, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 26.07.2023 - VIII 406 292-4124/2022-23625/2022-UV - asyl.net: M31876
https://www.asyl.net/rsdb/m31876
Leitsatz:

Integrationsministerium Schleswig-Holstein: Aktualisierung der Anwendungshinweise zu § 25a AufenthG infolge des Inkrafttretens des Chancen-Aufenthaltsrechts:

1. Die zwölfmonatige Vorbesitzzeit für die Erteilung von § 25a AufenthG kann sich auch aus verschiedenen Phasen eines geduldeten Aufenthalts zusammensetzen und muss grundsätzlich ununterbochen bis zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung fortdauern. Zeiten mit Besitz einer Verfahrendsduldung können berücksichtig werden. Folgende Zeiten werden nicht berücksichtigt: Grenzübertrittsbescheinigung, Duldung für Personen mit ungeklärter Identität (§ 60b AufenthG), Untertauchen, Aufenthaltstitel, Fiktionsbescheinigungen (§ 81 Abs. 3 und 4 AufenthG).

2. Hinsichtlich des Übergangs aus § 104c AufenthG in § 25a AufenthG ist zu beachten, dass der Antrag auf § 25a AufenthG vor Ablauf der Geltungsdauer des § 104c AufenthG zu stellen ist, um die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG auszulösen. Bei den Voraufenthaltszeiten sind auch die Zeiten mit Duldung nach § 60b AufenthG anzurechnen. Vorwerfbares Verhalten (z.B. Täuschung über Identität), das bereits bei § 104c AufenthG berücksichtigt wurde, ist bei § 25a AufenthG nicht mehr zu bewerten.

3. Werden die Voraussetzungen des § 25a AufenthG nicht erfüllt, und soll die ausreisepflichtige Person abgeschoben werden, müssen die Voraussetzungen dafür erneut geprüft werden. Ergibt die Prüfung, dass Duldungsgründen vorliegen, muss die Duldung erteilt werden.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Integration, Jugendliche, junge Volljährige, Bleiberecht, Chancen-Aufenthaltsrecht, Duldung, Ausschlussgrund, Identitätstäuschung, Fiktionswirkung, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Grenzübertrittsbescheinigung, Voraufenthalt,
Normen: AufenthG § 25a, AufenthG § 104c, AufenthG § 60b Abs. 5 S. 1, AufenthG § 81 Abs. 3, AufenthG § 81 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Die nachfolgenden Anwendungshinweise ergehen mit dem Ziel, den gesetzlichen Spielraum des § 25a aufzuzeigen und auszuschöpfen sowie eine einheitliche Anwendungspraxis der Zuwanderungsbehörden (ZBHen) in Schleswig-Holstein auch betreffend des Übergangs aus dem neuen § 104c in das Bleiberecht nach § 25a zu schaffen. Dem Anliegen des Gesetzgebers, gut integrierten geduldeten Jugendlichen und jungen Volljährigen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen, soll verstärkt entsprochen werden. Die ZBHen in Schleswig-Holstein sind gehalten, von Amts wegen auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25a bei Jugendlichen und jungen Volljährigen zu prüfen.

Im Übrigen wird auf § 104c Abs. 4 und den Erlass vom 15.11.2022 (Az.: VIII 402-198274/2022) betreffend die Beratung über Möglichkeiten und Mitwirkungspflichten zur Erlangung von Aufenthaltstiteln und -status sowie den Grundverwaltungsakt verwiesen. Bei Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis sollte in geeigneten Fällen im Rahmen der Beratungspflicht auf die Möglichkeit des §25a hingewiesen werden. Anträge auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis sind im Interesse der Antragstellenden auszulegen. [...]

Der mindestens zwölfmonatige Zeitraum kann sich auch aus verschiedenen Phasen eines geduldeten Aufenthalts zusammensetzen und muss grundsätzlich ununterbrochen bis hin zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung fortdauern. Ein abgeschlossener Zeitraum in der Vergangenheit genügt nicht.

Zeiten, in denen sich die/der Antragstellende (lediglich) im Besitz einer sog. Verfahrensduldung befand/befindet, können berücksichtigt werden.

Nicht als Vorduldungszeit zu berücksichtigen sind folgende Zeiten:

- Zeiten im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung

- Zeiten einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität, § 60b Abs. 5 Satz 1

- Zeiten, in denen die/der Antragstellende untergetaucht war/ist oder sich in anderer Weise dem ausländerrechtlichen Verfahren entzogen hat

- Zeiten, in denen die/der Antragstellende bereits einen Aufenthaltstitel besaß/besitzt

- Zeiten einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 und 4.

Auf Lücken zwischen zwei Duldungszeiten findet § 85 keine unmittelbare Anwendung. Lediglich Duldungslücken von wenigen Tagen können im Einzelfall im Hinblick auf ihren Bagatellcharakter - im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - als unschädlich betrachtet werden.

Für Inhabende einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c gilt das Erfordernis der Vorduldungszeit nicht.

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Vorduldungszeit ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung. [...]

In die Prognoseentscheidung sind stets alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (z.B. Traumatisierungen, familiäre Krankheitsfälle, Unkenntnis über das formelle Vorgehen bei Entschuldigungsschreiben, persönliche Fähigkeiten oder Erschwernisse) und unter Berücksichtigung des integrationspolitischen Zwecks des § 25a zu würdigen. Danach steht z.B. auch eine Nichtversetzung in die nächsthöhere Klassenstufe der Annahme eines erfolgreichen Schulbesuchs nicht entgegen, wenn nach der Würdigung der Gesamtumstände noch von einem (zukünftigen) erfolgreichen Schulbesuch ausgegangen werden kann. [...]

Nach § 25a Abs. 1 S. 3 ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zwingend zu versagen, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben des oder der Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen oder aufgrund einer Täuschung über Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist. Bezüglich des Vorliegens dieser Voraussetzungen trägt die Zuwanderungsbehörde die Darlegungs- und Beweislast. Der Versagungsgrund setzt nach der Formulierung („aufgrund“) eine Monokausalität zwischen dem Fehlverhalten der oder des Antragstellenden und der Aussetzung der Abschiebung voraus. Sofern auch andere Ursachen für das Abschiebungshindernis existieren und diese fortbestehen, ist § 25a Abs. 1 S. 3 nicht anwendbar. [...]

Gegenüber der auch im Rahmen des § 25a Abs. 1 anzuwendenden Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1a (Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit), führt § 25a Abs. 1 S. 3 insofern zu einer Verschärfung, als dass in Fällen, in denen die Abschiebung aufgrund eigener Falschangaben oder Täuschungshandlungen der oder des Jugendlichen oder jungen Volljährigen ausgesetzt ist, die Erteilung zwingend zu versagen ist (siehe hierzu oben unter Punkt II.2.).

Für Begünstigte nach § 104c gilt für den Wechsel § 25a Abs. 6.

Ein fehlender Nachweis von Identität und Staatsangehörigkeit steht einer im weiteren Verlauf des Aufenthaltes angestrebten Einbürgerung grundsätzlich entgegen. [...]

IV. Spezielle Regelungen für den Übergang aus § 104c in § 25a

1. Antragstellung und Wirkung

Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a ist noch vor Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c zu stellen. Nur dann entfaltet der Antrag zu § 25a Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1. Die Fiktionswirkung endet mit Entscheidung der Zuwanderungsbehörde über den Antrag. Wurde der Antrag verspätet gestellt, kann die ZBH zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, § 81 Abs. 4 Satz 3.

2. Materielle Sonderregelungen für den Übergang von § 104c in § 25a

a. Vorduldungszeiten

Bei der Berechnung der Voraufenthaltszeiten gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind die in § 60b Abs. 5 Satz 1 genannten Zeiten anzurechnen, siehe II. 1.c.

b. Identitätsklärung

Auch für antragstellende Jugendliche und junge Volljährige gilt neben den Erteilungsvoraussetzungen des § 25a Abs. 1 die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nummer 1a, das Erfordernis der geklärten Identität. Davon kann abgewichen werden, wenn die/der Antragstellende die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat, § 25a Abs. 6.

Zur Frage der Identitätsklärung wird im Weiteren auf Ziff. 2.3 der Anwendungshinweise des BMI zu § 104c vom 23.12.2022 verwiesen.

c. Vorwerfbare Handlungen/ Ausschluss

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Absatz 1 Satz 1 soll versagt werden, wenn die Ausländerin/der Ausländer wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über ihre/seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung im Antragsverfahren ihre/seine Abschiebung verhindert. Für den Zeitpunkt des Übergangs in § 25a gilt § § 25a Abs. 1 Satz 3; für vorwerfbare Handlungen, die bereits bei der Entscheidung über § 104c zu bewerten waren, bleibt zu diesem Zeitpunkt kein Raum mehr.

3. Folgen bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 25a Titelinhabende nach § 104c, die zum Geltungsablauf des Aufenthaltstitels die notwendigen Voraussetzungen für einen Titel nach § 25a nicht erfüllen, werden danach wieder vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreisepflicht entsteht nach § 50 Abs. 1, da die Ausländerin / der Ausländer einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besitzt. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 vollziehbar (§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1).

Auf den Erlass vom 15.11.2022 (Az.: VIII 402-198274/2022) betreffend die Beratung über Möglichkeiten und Mitwirkungspflichten zur Erlangung von Aufenthaltstiteln und -status sowie den Grundverwaltungsakt wird an dieser Stelle erneut verwiesen. Sind demnach in den Fällen einer gegebenen vollziehbaren Verpflichtung zur Ausreise keine aufenthaltsrechtlichen Perspektiven erkennbar, erfolgt zunächst eine Rückkehrberatung zur Förderung einer freiwilligen Ausreise. Auf den Leitfaden Freiwillige Rückkehr, der im Jahr 2018 als Ergebnis einer Zusammenarbeit des Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge sowie der Diakonie Schleswig-Holstein entstanden ist, weise ich in diesem Zusammenhang hin.

Soll die Ausländerin/der Ausländer abgeschoben werden, müssen jedoch die Voraussetzungen hierfür erneut geprüft werden (vollziehbare Ausreisepflicht, Ausreisefrist nicht gewährt oder abgelaufen, freiwillige Ausreise nicht gesichert, kein Duldungstatbestand nach den §§ 60a bis 60d erfüllt). Liegen die bezeichneten Voraussetzungen vor, hat die ZBH die Aufenthaltsbeendigung der Ausländerin/des Ausländers ggf. zwangsweise durchzusetzen. Auf den Erlass zur Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen vom 06.10.2017 (IV 22-212-29.113-58) weise ich
hin.

Liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Duldung vor, so ist diese nach den §§ 60a bis 60d zu erteilen. Es handelt sich konkret um die Erteilung einer neuen Duldung nach erneuter Prüfung der Voraussetzungen. Diese weitere Duldung kann auch auf anderen Gründen beruhen als diejenige Duldung, die dem Betroffenen vor Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts erteilt worden war.

Ein bereits negativ durchlaufenes Antragsverfahren steht der Stellung eines weiteren Antrags zu § 25a nicht entgegen, sofern die Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt sein sollten. [...]