Kein geduldeter Aufenthalt gemäß § 25b AufenthG bei Einleitung der Aufenthaltsbeendigung:
Nur bei erheblichen Verzögerungen der Abschiebung ist eine Duldung aus sonstigem Grund zu erteilen. Wenn Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet wurden und absehbar zu einem Ende geführt werden, muss keine Duldung ausgestellt werden, und der Aufenthalt gilt auch nicht als faktisch geduldet, sodass eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG ausscheidet.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
24 Ausgehend von diesen Maßstäben ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, dass das Verwaltungsgericht einen Anordnungsanspruch zu Unrecht abgelehnt hat. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats scheidet aus gesetzessystematischen Gründen die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich aus (SächsOVG, Beschl. v. 3. November 2020 - 3 B 262/20 -, juris Rn. 14, Beschl. v. 8. Oktober 2020 - 3 B 186/20 -, juris Rn. 11, und Beschl. v. 24. Februar 2020 - 3 B 349/19 -, juris Rn. 7, und Beschl. v. 16. März 2021 - 3 B 93/21 -, juris Rn. 11; Beschl. v. 13. August 2021 - 3 B 277/21 -, juris Rn. 29 jeweils m. w. N.). [...]
25 (a) Für einen solchen Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung ist im Hinblick auf § 25b Abs. 1 AufenthG aber erforderlich, dass ohne großen Klärungsbedarf bejaht werden kann, dass der Antragsteller die tatbestandlichen Voraussetzungen des "geduldeten" Ausländers erfüllt. Dies setzt voraus, dass er unabhängig von der Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, also aus einem sonstigen Grund, zum maßgeblichen Zeitpunkt geduldet ist oder aus einem sonstigen Grund eine Verfahrensduldung beanspruchen kann (OVG LSA, Beschl. v. 24. April 2023 - 2 M 16/23 -, juris Rn. 31; BayVGH, Beschl. v. 14. Februar 2023 - 19 CS 22.2611 -, juris Rn. 29). Aus der vom Antragsteller angeführten Entscheidung des Senats vom 2. August 2022 - 3 B 124/22 - ergibt sich nichts anderes. Vielmehr ist er dort davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG voraussichtlich vorlägen und dieser Anspruch über eine Verfahrensduldung zu sichern sei, da der Anspruch einen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetze. [...]
27 Ein solcher "sonstiger" Grund unabhängig von seiner Antragstellung in Bezug auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis ist nicht ersichtlich. Für einen festzustellenden Rechtsanspruch auf Erteilung einer Duldung "aus sonstigen Gründen" wäre es ausreichend, wenn die Abschiebung des Antragstellers im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich wäre. Insoweit wäre eine Duldung grundsätzlich auch dann zu erteilen, wenn die Abschiebung zwar möglich ist, die Ausreisepflicht des Ausländers aber nicht ohne Verzögerung durchgesetzt werden kann. Stellt sich bei der hierzu anzustellenden Prüfung heraus, dass der Zeitraum, innerhalb dessen die Abschiebung durchgesetzt werden kann, ungewiss ist, hat die Ausländerbehörde eine Duldung zu erteilen. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass der für die Durchführung der Abschiebung notwendige Zeitraum die Abschiebung nicht zeitweise unmöglich macht. Dies gilt für den üblicherweise für eine Abschiebung erforderlichen Zeitraum. Ergeben sich Hindernisse, die eine erhebliche Verzögerung der Abschiebung nach sich ziehen, ist eine Duldung zu erteilen. Erscheint die Abschiebung nach den Gegebenheiten des Falles nicht aussichtslos, darf andererseits ein fehlgeschlagener Abschiebungsversuch fortgesetzt werden, bevor eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung angenommen wird (BVerwG, Urt. v. 25. September 1997 - 1 C 3/97 -, juris Rn. 22 f.; BayVGH, Beschl. v. 17. April 2023 - 10 CE 23.486 -, juris Rn. 6 m. w. N.).
28 Die beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers liegt noch innerhalb des für eine Abschiebung üblicherweise erforderlichen Zeitraums. Hindernisse, die eine erhebliche Verzögerung der Abschiebung des Antragstellers erwarten lassen, sind nicht erkennbar.
29 Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass für die Frage nach einer unverzüglichen Ergreifung von Maßnahmen zur Ermöglichung einer zeitnahen Abschiebung nicht auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des klagabweisenden Urteils in dem vom Kläger betriebenen Asylverfahrens abzustellen ist, sondern auf den Zeitpunkt der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung am 10. Februar 2023. [...] Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass es noch keine erhebliche Verzögerung der Abschiebung darstellt, wenn die Durchführung des sog. RCMS-Verfahrens zur Verifizierung der hier durch einen gültigen Reisepass belegten Identität einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten einnimmt und erfahrungsgemäß innerhalb dieses Zeitraums ein Abschluss des Klärungsverfahrens zu erwarten ist (vgl. BayVGH, Beschl. v. 9. März 2023 - 19 CE 23.183 -, juris Rn. 15). Hiervon ausgehend stellt es noch keine erhebliche zeitliche Verzögerung der Abschiebung dar, wenn aufgrund der Durchführung des RCMS-Verfahrens seit dem maßgeblichen Beginn der Ausreisepflicht des Antragstellers am 10. Februar 2023 nunmehr gut vier Monate vergangen sind, da ein Abschluss des Prüfverfahrens absehbar zu erwarten ist. [...]