VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Beschluss vom 05.07.2023 - 6 V 1190/23 - asyl.net: M31803
https://www.asyl.net/rsdb/m31803
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet:

Es spricht vieles dafür, dass ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vorliegt, weil aufgrund einer Vielzahl von Faktoren bei der Antragstellerin eine Risikoschwangerschaft vorliegt. Aufgrund dieser Faktoren ist eine Abschiebung bereits jetzt und nicht erst sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin unmöglich.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Suspensiveffekt, offensichtlich unbegründet, Risikoschwangerschaft, Roma, Asylantrag, Serbien,
Normen: AsylG § 30 Abs. 1, AsylG § 30 Abs. 2, AsylG § 36 Abs. 4, VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

[...]

1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unter Ziff. 5 des Bescheids vom 02.06.2023 verfügten Abschiebungsandrohung in Bezug auf die Antragstellerin zu 2. im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.01.2021 zu Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie RFRL). Denn ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (welches vor Erlass einer Abschiebungsandrohung zu prüfen ist, vgl. zuletzt EuGH, Beschluss vom 15.02.2023, C- 484/22) ist im vorliegenden Fall ersichtlich. Gemäß Art. 5 RFRL berücksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung dieser Richtlinie in gebührenden Weise das Wohl des Kindes (Buchstabe a), die familiären Bindungen (Buchstabe b) und den Gesundheitszustand der betreffenden Drittstaatsangehörigen (Buchstabe c).

Vorliegend spricht vieles für die Annahme eines Vollstreckungshindernisses hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. aufgrund einer bei ihr festgestellten Risikoschwangerschaft. In diesem Fall ist die Abschiebung wegen Art. 2 Abs. 2 GG rechtlich unmöglich (vgl. Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, § 7 Aufenthaltsbeendigung Rn. 345, beck-online). Ausweislich der vorgelegten Kopie des Mutterpasses der Antragstellerin zu 2. ergibt sich, dass bei ihr aufgrund verschiedener Faktoren (u.a. wegen familiärer Vorerkrankungen, besonderer psychischer und sozialer Belastungen, ihres Alters von über 35 Jahren und insgesamt vier Fehlgeburten/Abbrüchen in der Vergangenheit) ein Schwangerschaftsrisiko der Kategorie A vorliegt. Insbesondere aufgrund der bei der Antragstellerin kumulativ vorliegenden Faktoren erschließt sich der erkennenden Einzelrichterin das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft. Diese Risikofaktoren sprechen dafür, eine Abschiebung der Antragstellerin zu 2. auch schon jetzt und nicht erst sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und damit dem Beginn des "Mutterschutzes" - anzunehmen (vgl. insb. VG Bremen, Beschluss vom 22.12.2021, 7 V 2039/21). [...]