VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Beschluss vom 13.07.2023 - A 1 K 1745/23 - asyl.net: M31747
https://www.asyl.net/rsdb/m31747
Leitsatz:

Zum Beginn der Frist für ein Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin-III-VO:

"Die Frist für ein Wiederaufnahmegesuch beginnt bereits dann zu laufen, wenn ein maßgeblicher Teil des Mitgliedstaats Kenntnis davon erlangt hat, dass sich die betreffende Person (erneut) in seinem Hoheitsgebiet befindet [...]."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Übernahmeersuchen, Frist, Wiederaufnahme, Wiederaufnahmeersuchen, Wiederaufnahmegesuch
Normen: VO 604/2013 Art. 24 Abs. 2, VO 604/2013 Art. 24 Abs. 1, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

[...]

10 Das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes vom 27.12.2022 stellt sich nach überschlägiger Prüfung als verfristet dar. Zu diesem Zeitpunkt war die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO voraussichtlich für den Antrag zuständig geworden.

11 [...] Die Fristen des Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO beginnen jedenfalls ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat zum einen davon Kenntnis hat, dass sich die betreffende Person in seinem Hoheitsgebiet befindet, und zum anderen von Gesichtspunkten, die die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats begründen (vgl. EuGH Urteil vom 25.01.2018- C 360/16 - Hasan - juris; NK-AuslR/Müller, 3. Aufl. 2023, AsylG § 34a Rn. 19).

12 Hier hat eine der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat wohl zuzurechnende bayerische Behörde am 05.09.2022 Kenntnis von der erneuten Einreise der Antragsteller erhalten. An diesem Tag wurden sie nach ihrer Wiedereinreise von der Regierung von Oberbayern - Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberbayern - aufgenommen und registriert, sie haben dort ferner einen Aufnahmeschein ("White Paper") erhalten, in dem unter 4. vermerkt ist, dass sie ein Asylgesuch geäußert haben.

13 Auf die Kenntnis des Bundesamts als zuständiger Behörde oder der Bundesrepublik Deutschland als Körperschaft kann es für den Fristbeginn hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ankommen. Insoweit ist voraussichtlich der Auffassung des Verwaltungsgerichts Bayreuth (Beschluss vom 03.05.2019 - B 8 S 19.50232 - juris) zu folgen. Danach reicht es aus, dass ein maßgeblicher Teil des Mitgliedstaats Kenntnis erlangt hat. Ob dies die Organisationseinheit ist, die dann auch das Wiederaufnahmeverfahren einleiten kann, ist aus europarechtlicher Sicht für die Bestimmung der Fristen wohl unerheblich. Die Mitgliedstaaten sind gehalten, sich so zu organisieren, dass sie die Fristen einhalten können. Alles andere würde den europarechtlichen Gedanken der Effektivität und der loyalen Zusammenarbeit widersprechen. Weiterhin würde es auch dem Sinn und Zweck der Dublin III-VO widersprechen. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verfahren möglichst zügig bearbeitet werden (vgl. ErwGr. 5 der Dublin III-VO). Angesichts dessen hat das Verwaltungsgericht Bayreuth in dem von ihm zu entscheidenden Fall den Fristbeginn bereits auf den Tag datiert, an dem die dortigen Asylsuchenden auf einer Zugangsliste für die Unterkunft vermerkt worden sind. Mit dieser Rechtsauffassung steht es in Einklang, dass es auch im Falle eines EURODAC-Treffers nicht auf die Kenntniserlangung des Bundesamts, sondern auf den Erhalt des Treffers durch den zuständigen Mitgliedstaat ankommt [...].

15 Die Frist begann somit hier voraussichtlich am 05.09.2022 zu laufen und hat damit deutlich vor dem Wiederaufnahmeersuchen an Slowenien am 27.12.2022 geendet.

16 Die Verfristung des Wiederaufnahmegesuches kann nicht dadurch geheilt werden, dass Slowenien unter dem 30.12.2022 seine Zustimmung zur Wiederaufnahme der Antragsteller erklärt hat. Die Fristen der Dublin III-VO sind zugunsten der Asylsuchenden drittschützend. Sie können sich auf den Ablauf der Fristen berufen. [...]