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OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 07.06.2023 - 6 Bs 30/23 - asyl.net: M31703
https://www.asyl.net/rsdb/m31703
Leitsatz:

Aufenthaltserlaubnis für Studium erfordert in Deutschland anerkannten Abschluss: 

"1. In einem Fall, in dem der Aufenthalt des Antragstellers im Zeitpunkt der Beantragung einer Aufenthalts­erlaubnis nach § 16b Abs. 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) als erlaubt gilt und die Ausländerbehörde erst nach der ablehnenden Entscheidung beginnt, dessen Aufenthalt aufgrund des anhängigen Widerspruchs­verfahrens zu dulden, greift der Ablehnungsgrund in § 19f Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (juris: AufenthG 2004) nicht ein (Rn. 13) .

2. § 16b Abs. 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) ist dahingehend auszulegen, dass die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift nur zum Zweck eines Vollzeitstudiums erteilt wird, das zu einem von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten höheren Abschluss führt (Rn. 20)."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Studium, Duldung, Aufenthaltserlaubnis, Ukraine, Anerkennung ausländischer Abschlüsse
Normen: AufenthG § 16b Abs. 1, AufenthG § 19f Abs. 1 Nr. 3
Auszüge:

[...]

13 aa) Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG dürfte zwar nicht der Ablehnungsgrund in § 19f Abs. 1 Nr. 3 AufenthG entgegenstehen. Danach wird ein Aufenthaltstitel nach § 16b Abs. 1 AufenthG an Ausländer, deren Abschiebung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgesetzt wurde, nicht erteilt. Dieser Ablehnungsgrund dürfte hier nicht eingreifen.

14 Der Aufenthalt des Antragstellers war im Zeitpunkt der Antragstellung am 25. April 2022 nicht geduldet, sondern galt gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt [...]. Erst nach der ablehnenden Entscheidung vom 25. Oktober 2022 hat die Antragsgegnerin begonnen, den Aufenthalt des Antragstellers nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aufgrund des anhängigen Widerspruchsverfahrens zu dulden [...]. Allein dies kann den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG jedoch nicht ausschließen. Insoweit ist aus Gründen des Rechts auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG eine Ausnahme von dem Grundsatz geboten, dass für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz maßgeblich ist [...].

15 § 19f Abs. 1 Nr. 3 AufenthG dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie (EU) 2016/801. Erfasst von dem Ablehnungsgrund sind Personen, deren Abschiebung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - einschließlich Deutschland - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgesetzt worden ist. Dies entspricht im deutschen Aufenthaltsrecht der Duldung nach § 60a AufenthG, ist aber nicht abhängig von der Ausstellung einer Duldungsbescheinigung [...].

16 [...] Beantragt der Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, - wie der Antragsteller - die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Es ließe sich mit dem gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht in Einklang bringen, wenn der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG allein aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin auch dann ausgeschlossen wäre, wenn sich diese ablehnende Entscheidung im Rechtsmittelverfahren als rechtswidrig herausstellen sollte. Effektiver Rechtsschutz wäre dann nicht zu erlangen.

17 bb) Dem Antragsteller dürfte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG jedoch unabhängig von § 19f Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht zu erteilen sein.

18 (1) Es ist bereits fraglich, ob der Antragsteller derzeit (noch) die Voraussetzung der Zulassung von einer Bildungseinrichtung im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt. [...]

20 (2) Jedenfalls dürfte der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, dass das Vollzeitstudium an der Universität Hamburg nicht zu einem von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten höheren Abschluss führt.

21 (a) § 16b Abs. 1 AufenthG ist nach Auffassung des Beschwerdegerichts dahingehend auszulegen, dass die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift nur zum Zweck eines Vollzeitstudiums erteilt wird, das zu einem von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten höheren Abschluss führt. Dies folgt aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Norm. [...]

23 (b) Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Antragstellers nicht vor, da der von ihm angestrebte Abschluss an der ukrainischen ... National University nicht von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt ist.

24 Nach der vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigung der ... National University [...] ist er dort als Bachelor-Student im Studienfach ... immatrikuliert. Das Studium dürfte auf den Abschluss "bakalavr" [...] gerichtet sein [...]. Dieser Abschluss ist nicht kraft Gesetzes in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt, es bedürfte vielmehr einer behördlichen Anerkennungsentscheidung. [...]