Zum Maßstab einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet:
Um einen Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, muss das Vorbringen insgesamt unglaubhaft erscheinen. Ob ein Vorbringen widersprüchlich ist, ist unter Berücksichtigung des persönlichen Horizonts, insbesondere des Intellekts, Bildungsstand und anhand der aktuellen Situation der betroffenen Person zu bewerten.
(Leitsätze der Redaktion)
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Die Antragsgegnerin stützt im vorliegenden Fall die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Danach ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Diese Vorschrift regelt in Ansehung der Mitwirkungspflichten des Asylbewerbers daher u.a. die Fälle, in denen das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist oder offenkundig den Tatsachen nicht entspricht. Betroffen muss daher der Kern des Vorbringens bzw. ein für das Asylbegehren tragender Aspekt sein. Ob ein Vorbringen widersprüchlich ist, ist unter Berücksichtigung des persönlichen Horizonts des Asylbewerbers, insbesondere seines Intellekts und seines Bildungsstandes sowie seiner aktuellen Situation zu beurteilen (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 36. Ed. 01.01.2023, AsylG § 30 Rn. 34 ff. m.w.N.; BT-Drs. 12/4450, S. 22). Das widersprüchliche, nicht substantiierte oder offenkundig den Tatsachen nicht entsprechende Vorbringen muss dazu führen, dass die Fluchtgründe insgesamt unglaubhaft sind (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 03.09.1996, Az.: 2 BvR 2353/95, LS. 1; BVerwG, Urteil vom 25.08.2009, Az.: 1 C 30.08, Rn. 6 - Fundstelle: juris), das heißt vernünftigerweise kein Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamtes bestehen kann und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung des Antrags geradezu aufdrängt (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 35. Ed. 01.10.2022, AsylG § 30 Rn. 14 unter Verweis auf BVerfG BeckRS 2000, 22406 Rn. 3; 2019, 2694 Rn. 18; NVwZ 1994, 160, 161; 2007, 1046; 2008, 418; siehe bereits BVerfG NJW 1983, 2929, 2930). [...]
Weiteren Zweifeln unterliegt die Offensichtlichkeitsfeststellung auch in Ansehung einer seitens der Antragsgegnerin angenommenen fehlenden Glaubhaftmachung der Homosexualität durch den Antragsteller. Die seitens der Antragsgegnerin als lapidar bezeichneten diesbezüglichen Schilderungen des Antragstellers sind im Kontext der gesamten Anhörung des Antragstellers zumindest nachvollziehbar, wenn auch nicht umfangreich. Die genannten Schilderungen des Antragstellers könnten auch als zurückhaltend bezeichnet werden, zumal es derzeit so aussieht, als hätte der Antragsteller bei der Anhörung am 23.08.2022 seine homosexuelle Neigung erstmalig offengelegt. Nicht unberücksichtigt hat auch zu bleiben, dass die Antragsgegnerin ihre Offensichtlichkeitsentscheidung zudem auf einen Widerspruch zu den Angaben des Bruders des Antragstellers (...; dessen Eil- und Klageverfahren sind anhängig unter den Az.: 7 E 2815/22 We und 7 K 2814/22 We und wurden zum hiesigen Verfahren beigezogen) stützte. Dieser gab an, nicht homosexuell zu sein. Die Anhörung des Bruders fand erst am 22.09.2022 und damit nach der Anhörung des Antragstellers statt. Die Antragsgegnerin räumte dem Antragsteller vor Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheides jedoch keine Möglichkeit ein, zu dem Widerspruch Stellung zu nehmen, was bezogen auf die Offensichtlichkeitsentscheidung (anders als bei einer "einfachen" Ablehnung) nach Ansicht des Gerichts zwingend gewesen wäre (siehe dazu auch die Ausführungen des Antragstellers in der Antragsbegründung vom 28.03.2023 zur vermeintlichen Homosexualität des Bruders). [...]