LG Hof

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Zitieren als:
LG Hof, Beschluss vom 02.05.2023 - 22 T 168/22 (2) - asyl.net: M31643
https://www.asyl.net/rsdb/m31643
Leitsatz:

Abschiebungshaft erfordert Nachweis ordnungsgemäßer Zustellung des die Ausreisepflicht begründenden Bescheids:

1. Voraussetzung für die Anordnung von Abschiebungshaft ist, dass die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht dargelegt wird, was auch die ordnungsgemäße Bekanntgabe des Bescheides gegenüber der betroffenen Person umfasst.

2. Hierfür ist der Verweis auf eine Abschlussmeldung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht ausreichend. Es muss nachgewiesen werden, dass der die Ausreisepflicht begründende Bescheid zugestellt oder anders bekannt gegeben wurde.

(Leitsätze der Redaktion; unter Bezug auf: BVerfG, Beschluss vom 09.02.2012 - 2 BvR 1064/10 - bverfg.de)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, vollziehbar ausreisepflichtig, Ablehnungsbescheid, Zustellung, Postzustellungsurkunde, Zustellungsmangel, Bekanntgabe, Vollziehbarkeit
Normen: AufenthG § 62 Abs. 3, AufenthG § 62 Abs. 1, GG Art. 2 Abs. 2 S. 2, GG Art. 104 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist auch begründet, weil das Amtsgericht Hof in dem angefochtenen Beschluss die Haftanordnung gegen den Betroffenen mangels Feststellung der vollziehbaren Ausreisepflicht nicht hätte verlängern dürfen.

Voraussetzung der Abschiebungshaft ist die Feststellung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen. Dafür muss dargelegt werden, woraus sich diese Verpflichtung ergibt und inwiefern die Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind. Soweit erforderlich, ist im Zuge dessen auch die Bekanntgabe bzw. Zustellung der maßgeblichen Bescheide darzulegen (vgl. Kaniess, Abschiebungshaft, 1. Auflage 2020, Rn. 314; BVerfG, Beschluss vom 09.02.2012, 2 BvR 1064/10).

Daran fehlt es im angegriffenen Bescheid. Weder der Antrag auf Verlängerung der Abschiebehaft noch der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts Hof verhalten sich zur Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Betroffenen nach Ablehnung seines Asylgesuchs durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 11.07.2022.

Aus den der Kammer vorliegenden Akten ergibt sich nicht, ob und wann der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dem Betroffenen zugestellt worden ist. Es ist lediglich aus dem Haftantrag ersichtlich, dass die Bundespolizei von der Bestandskraft des Bescheids am 19.07.2022 ausgeht. Aus der Akte der Antragstellerin (Bl. 89) ergibt sich, dass der 19.07.2022 den Ablauf der 4-Wochen-Frist darstellt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Zustellung des Bescheids an den Betroffenen oder einen Zustellungsversuch sind auch der Akte der Antragstellerin nicht zu entnehmen. Es liegt lediglich eine Abschlussmeldung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 03.08.2022 vor, aus der sich nicht ergibt, ob das Bundesamt von einer Zustellung oder einer Zustellfiktion ausgeht und auf welcher Grundlage.

Dies ist aber in Anbetracht der Freiheitsentziehung durch die Haftanordnung und Art. 2 Abs. 2 GG nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 09.02.2012, 2 BvR 1064/10) zwingend erforderlich. Der Verweis auf die Abschlussmeldung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge genügt diesen Anforderungen nicht. [...]