Dublin-Bescheid wegen systemischer Mängel in Italien aufzuheben:
Asylsystem und Aufnahmebedingungen in Italien weisen systemische Mängel gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO auf, weil die italienischen Behörden Dublin-Rückkehrenden auf unbestimmte Zeit die Aufnahme und den Zugang zum Asylverfahren verweigern.
(Leitsätze der Redaktion)
[…]
Das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen in Italien weisen systemische Schwachstellen i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auf, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen, weil die italienischen Behörden Dublin-Rückkehrern den Zugang zum Asylverfahren und die Aufnahme insgesamt verweigern. [...]
Italien ist zur (Wieder-)Aufnahme der Kläger wie auch anderer Dublin-Rückkehrer nicht bereit. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Urteil vom 24. Januar 2023 - 2 K 2991/22.A -, juris, Rn.47) davon aus, dass es sich bei der im Dezember 2022 mitgeteilten Maßnahme der italienischen Behörden nicht um ein vorübergehendes Aussetzen von Überstellungen, sondern um die diplomatisch verklausulierte Weigerung der Aufnahme von Dublin-Rückkehrern auf "unbestimmte Zeit" handelt
Die Schreiben der italienischen Behörden vom 5. und 7. Dezember 2022 stellen zunächst nicht bloße Bitten um eine Aussetzung der Überstellungen dar, wodurch die Beklagte jedoch nicht gehindert wäre, trotzdem Überstellungen durchzuführen. [...]
Es handelt sich auch nicht um eine lediglich vorübergehende, zeitlich begrenzte Aussetzung der Annahme von Überstellungen. Die Rundschreiben benennen weder ein Enddatum für die Aussetzung der Überstellungen noch einen auch nur ungefähren oder voraussichtlichen Zeitrahmen. Seit nunmehr einem halben Jahr ist - trotz Ankündigung im Rundschreiben vom 5. Dezember 2022 - keine weitere Information zur Dauer der Aussetzung der Überstellungen erfolgt. Auch die Beklagte hat dem Senat weder in diesem noch in einem anderen Verfahren neue Informationen mitgeteilt. [...]
Soweit die Beklagte in anderen Verfahren ausführt, dass die Aufnahmeeinrichtungen in Italien nicht ausgelastet seien, so spricht das letztlich dafür, dass die Begründung für die Aussetzung der Überstellungen vorgeschoben ist. Sollte die Aussetzung der Überstellungen damit nicht auf "technischen Gründen" bzw. der Auslastung des Aufnahmesystems beruhen, sondern auf dem (politischen) Willen der italienischen Behörden, so wäre in keiner Weise absehbar, ob, wann und unter welchen Bedingungen Überstellungen nach Italien bzw. ein Zugang zum italienischen Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer wieder möglich sein werden. [...]
Die Tatsache, dass die italienische Republik nach dem Vortrag der Beklagten weiterhin Zustimmungen für Auf- und Wiederaufnahmeersuchen erteilt, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Einschätzung. Denn diese Erklärungen haben offensichtlich keinen Einfluss auf die tatsächliche Übernahmebereitschaft Italiens. [...]