LG Dresden

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Zitieren als:
LG Dresden, Beschluss vom 05.06.2023 - 2 T 546/22 - asyl.net: M31609
https://www.asyl.net/rsdb/m31609
Leitsatz:

Ohne Belehrung über Möglichkeit anwaltlichen Beistands ist Haftanordnung rechtswidrig:

1. Das Amtsgericht hat eine Person, die auf ihre anwaltliche Vertretung hingewiesen hat, darüber zu belehren, dass sie diese in der Haftanhörung in Anspruch nehmen kann und die Teilnahme der Anwältin/des Anwalts daran ermöglicht werden soll.

2. Unterbleibt eine solche Belehrung, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor und ist die Haftanordnung rechtswidrig. Fehlt es an der Belehrung, kommt es auch nicht darauf an, ob ein Verzicht auf anwaltlichen Beistand in der Anhörung erklärt wurde.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Anhörung, Rechtsanwalt, faires Verfahren, Belehrung, Rechtsbeistand, anwaltliche Vertretung, Verzicht,
Normen: GG Art. 20 Abs. 3, GG Art. 2 Abs. 1, EMRK Art. 6, FamFG § 58 Abs. 1, FamFG § 427
Auszüge:

[...]

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet, da das Amtsgericht zu Unrecht die Haft zur Überstellung angeordnet hatte.

Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (vgl. dazu BGH 25.4.2022 - XIII ZB 38/21, BeckRS 2022, 20231, Rn. 7).

Gemessen an diesem Grundsatz war die Haft rechtswidrig: denn die Betroffene wies auf ihren Anwalt hin und durfte auch mit diesem telefonieren.

Aus dem Protokoll ist aber nicht zu entnehmen, dass das Amtsgericht die Betroffene darauf hingewiesen hatte, dass die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht werden soll. Daher ist ein Verzicht der Betroffenen auf dessen Teilnahme - der ohnehin nicht protokolliert wurde - unerheblich. [...]