Berücksichtigung des Kindeswohls bei Rückkehrentscheidung des Vaters:
Bei der Rückkehrentscheidung hat das BAMF das Kindeswohl zu berücksichtigen. Lebt ein Antragsteller mit Lebensgefährtin und minderjährigen Kindern in familiärer Gemeinschaft und würde wegen der sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung von diesen getrennt werden, weil sie sich noch im Asylverfahren befinden, so ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
(Leitsätze der Redaktion)
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Im vorliegenden Fall ist danach die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zwar dürfte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt haben, weil der Antragsteller bereits in Italien erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen hat und bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines erneuten Asylverfahrens vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 und § 71a Abs. 1 AsylG). Allerdings begegnet die Abschiebungsandrohung rechtlichen Bedenken.
Die einfachgesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt dürften gemäß § 34 Abs. 1 i. V. m. § 71a Abs. 4 AsylG und § 59 AufenthG vorliegen. Indes bestehen Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Entscheidung. Der Antragsteller ist der Vater von drei Kindern, die sich in einem laufenden Asylverfahren bei der Beklagten befinden. Gleiches gilt für die Lebenspartnerin und Mutter der Kinder. Der Aufenthalt der Kinder und der Lebenspartnerin (bzw. Ehefrau nach traditionellem nigerianischen Recht) in Deutschland ist daher bis zum Abschluss der jeweiligen Asy1verfahren derzeit gestattet. In der Zwischenzeit ist die Wahrung der Familieneinheit auch innerhalb des.asylrechtlichen Verfahrens sicherzustellen. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlangt Art. 5 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/115/EG, das Kindeswohl sowie andere familiäre Bindungen im Rahmen eines zum Erlass einer gegen einen Minderjährigen ausgesprochenen Rückkehrentscheidung führenden Verfahrens zu schützen. Hierfür genügt es nicht, dass diese beiden geschützten Interessen als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Rahmen eines nachfolgenden Verfahrens betreffend den Vollzug dieser Rückkehrentscheidung geltend gemacht werden können, um gegebenenfalls eine Aussetzung deren Vollzugs zu erwirken (vgl. EuGH, Beschluss vom 15. Februar 2023 - Rs. C-484/22 - juris). Das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen sind in sämtlichen Stadien des Verfahrens gebührend zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2021 - C-441/19 - juris Rn. 54). Die zuständige nationale Behörde hat daher das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen auch dann gebührend zu berücksichtigen, wenn sie eine Rückkehrentscheidung zu erlassen beabsichtigt (EuGH, Urteile vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 - juris Rn. 49 und vom 11. März 2021 – C-112/20 - juris Rn. 41). [...]
Das Kindeswohl gebietet einstweilen die Anwesenheit des mit ihnen in familiärer Gemeinschaft lebenden Antragstellers. [...]