Eilrechtsschutz gegen Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet:
Eine Überschreitung des Zeitraums der unverzüglichen Asylantragstellung um ca. eineinhalb Wochen stellt keine gröbliche Mitwirkungspflichtverletzung, sondern vielmehr einen einfachen Verstoß dar. Gröblich ist ein Verstoß nur, wenn er für die Durchführung des Verfahrens von so großem Gewicht ist, dass er auf eine missbräuchliche Antragstellung schließen lässt. Die verspätete Antragstellung hatte jedoch keine nennenswerten Auswirkungen.
(Leitsätze der Redaktion)
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Das Bundesamt hat in den Gründen des angefochtenen Bescheids vom 6. März 2023 (dort Seite 7) festgestellt, dass sich die Antragstellerinnen ( erst) am 12. Oktober 2022 in einer Erstaufnahmeeinrichtung gemeldet haben. In der übersandten Bundesamtsakte finden sich zwar - über die Angabe der Antragstellerin zu 1 in der Anhörung vom 4. Januar 2023 hinaus - keine Dokumente, aus denen Ort und Umstände einer solchen Meldung am 12. Oktober 2022 hervorgehen. Nachdem das Gericht jedoch keine sichere Kenntnis von der Unrichtigkeit der Feststellung des Bundesamts hat, ist diese im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch im Hinblick auf § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG zugrunde zu legen.
Ausgehend davon war eine Meldung in einer Aufnahmeeinrichtung am 12. Oktober 2022 (Mittwoch) zwar nicht mehr unverzüglich im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylG, weil diese erst ca. dreieinhalb Wochen nach der Einreise (Sonntag, den ... 2022) und damit mangels besonderer Umstände nicht mehr "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 BGB) erfolgt ist. Die Verletzung der Meldepflicht nach § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylG war aber nicht gröblich. Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid die Tatbestandsvoraussetzung "gröblich" nicht begründet. Für einen Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG bedarf es einer besonders schwerwiegenden Verletzung der Obliegenheit; ein lediglich "einfacher" Verstoß genügt hierbei nicht. Gröblich ist ein Verstoß, wenn die Verletzung der Mitwirkungspflicht im Hinblick auf das Ergebnis der Entscheidung oder die zügige Durchführung des Asylverfahrens von so großem Gewicht ist, dass das Verhalten des Asylsuchenden den Schluss zu tragen geeignet ist, dass das Asylverfahren missbräuchlich betrieben wird (BayVGH, Beschl. v. 6. April 2022 - 15 B 22.30094 -, juris Rn. 16 m. w. N.). Hier haben die Antragstellerinnen den regelmäßig als Maximalfrist angesehenen Zeitraum von zwei Wochen um ca. eineinhalb Wochen überschritten. Diese Fristüberschreitung hat auf die Durchführung des Asylverfahrens keine nennenswerten Auswirkungen. Dies zeigt sich hier schon daran, dass von der Registrierung des Asylgesuchs mit Fingerabdrucknahme am 4. November 2022 bis zur Aktenanlage und förmlichen Antragsentgegennahme beim Bundesamt am 2. Dezember 2022 vier Wochen vergangen sind und danach bis zur persönlichen Anhörung am 4. Januar 2023 nochmals ein Zeitraum von mehr als einem Monat. Ein Schluss auf ein missbräuchliches Betreiben des Asylverfahrens lässt sich nicht ziehen.
Soweit das Bundesamt anführt, die Mitwirkungspflicht sei durch die verspätete, nicht innerhalb von 14 Tagen erfolgte Antragstellung verletzt worden, ist nicht klar, woran das Bundesamt insoweit anknüpfen will. Auf eine ggf. nicht unverzügliche Stellung eines förmlichen Asylantrags nach § 14 AsylG kann die Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG nicht gestützt werden, da diese Vorschrift nicht an eine Verletzung von § 13 Abs. 3 Satz 3 AsylG anknüpft. Im Hinblick auf ein bloßes Asylgesuch würde sich keine weitergehende Mitwirkungspflichtverletzung ergeben, weil sich die Antragstellerinnen nach den Feststellungen des Bundesamtes am 12. Oktober 2022 bei einer Erstaufnahmeeinrichtung gemeldet haben und damit der Mitwirkungspflicht nach § 13 Abs. 3 Satz 2 AsylG grundsätzlich - wenngleich verspätet - durch eine der in dieser Norm vorgesehenen Handlungsmöglichkeiten nachgekommen sind. [...]