OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 22.03.2023 - 2 LA 11/23 - asyl.net: M31523
https://www.asyl.net/rsdb/m31523
Leitsatz:

Zur Beweislast im Verteilverfahren bei unerlaubter Einreise:

Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (hier: unerlaubte Einreise) einschließlich der unerlaubten Einreise trägt die Behörde die materielle Beweislast. Wenn die unerlaubte Einreise nachgewiesen ist, trägt die betroffene Person die Beweislast dafür, dass bei ihr Ausnahmen, also zwingende Gründe gegen die Verteilung, vorliegen (§ 15a Abs. 1 Satz 6 oder Abs. 6 AufenthG).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: unerlaubte Einreise, Verteilungsverfahren, Beweislast, Beweiswürdigung, Mitwirkungspflicht, Verteilung, zwingende Gründe
Normen: AufenthG § 15a, AufenthG § 82 Abs. 1
Auszüge:

[...]

a) Zwar trifft der vom Verwaltungsgericht aufgestellte Rechtssatz, im Rahmen von § 15a AufenthG trage die Ausländerin bzw. der Ausländer die materielle Beweislast für das (Nicht-)Vorliegen einer unerlaubten Einreise, nicht zu. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG trägt die Behörde, die die Verteilung veranlasst, die materielle Beweislast. [...]

aa) Die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines belastenden Verwaltungsaktes trägt grundsätzlich die Behörde (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 21.05.2008 – 6 C 13/07, juris Rn. 41). Ein Verteilungsbescheid ist ein belastender Verwaltungsakt. Er greift mindestens in die allgemeine Handlungsfreiheit der betroffenen Person (Art. 2 Abs. 1 GG) ein, da mit ihm die Verpflichtung verbunden ist, sich zu der zugewiesenen Aufnahmeeinrichtung zu begeben und dort zu wohnen (vgl. § 15a Abs. 4 Satz 1, 4 AufenthG). [...]

bb) [...] Die Behörde trägt die Beweislast dafür, dass ein Mensch zu dem Personenkreis gehört, der nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich der Verteilung unterliegt. Ist dies bewiesen, trägt die betroffene Person die Beweislast dafür, dass bei ihr Ausnahmen im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 6 oder Abs. 6 AufenthG vorliegen.

cc) Diese Beweislastverteilung gilt auch für das Tatbestandsmerkmal "unerlaubt eingereist" (a.A. VG Düsseldorf, Beschl. v. 31.03.2014 – 7 L 347/14, juris Rn. 9 – 11; VG Berlin, Beschl. v. 20.06.2012 – 29 L 115.12, juris Rn. 7). Dem steht nicht entgegen, dass häufig nur die ausländische Person selbst über die Modalitäten der Einreise, die vorhandenen Ausweisdokumente und den bei der Einreise beabsichtigten Aufenthaltszweck Auskunft geben kann (a.A. VG Düsseldorf, Beschl. v. 31.03.2014 – 7 L 347/14, juris Rn. 10). Die allgemeinen Beweislastgrundsätze (s.o. aa)) gelten auch für Tatsachen, die ihrer Natur nach schwer zu beweisen sind, wie z.B. innere Tatsachen (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 108 Rn. 13; BVerwG, Urt. v. 18.10.1972 – VIII C 46.72, BVerwGE 41, 53 <57 f.>). [...]

dd) Der Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nach § 82 Abs. 1 AufenthG rechtfertigt es ebenfalls nicht, die materielle Beweislast für die unerlaubte Einreise im Rahmen von § 15a AufenthG auf die ausländische Person zu verlagern (a.A. VG Düsseldorf, Beschl. v. 31.03.2014 – 7 L 347/14, juris Rn. 9; VG Berlin, Beschl. v. 20.06.2012 – 29 L 115.12, juris Rn. 7). Aus § 82 Abs. 1 AufenthG ergibt sich keine Beweislastumkehr (Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 82 Rn. 9; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 82 Rn. 120). [...]