LSG Hessen

Merkliste
Zitieren als:
LSG Hessen, Beschluss vom 09.02.2023 - L 7 AS 447/22 B ER - asyl.net: M31338
https://www.asyl.net/rsdb/m31338
Leitsatz:

Leistungsausschluss nach SGB II bei Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts:

1. Personen, die kein Aufenthaltsrecht haben oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt sowie ihre Familienangehörigen können gemäß § 7 Abs. 1 S. 4 Hs. 1 SGB II Leistungen nach dem SGB II erhalten, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Das gilt jedoch gemäß § 7 Abs. 1 S. 4 Hs. 2 SGB II nicht, wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt wurde.

2. Dabei sperrt bereits die behördliche Feststellung des Verlustes des Rechts auf Freizügigkeit die Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II. Die Entscheidung muss nicht bestandskräftig sein.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Verlust des Freizügigkeitsrechts, Bestandskraft, Rechtskraft, Sozialleistungen, SGB II, Bürgergeld
Normen: SGB II § 7 Abs. 1 S. 4, SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, FreizügG/EU § 2 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Die Antragsteller sind, was im Übrigen auch für die Antragstellerin zu 3) gleichermaßen gilt, entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind von Leistungen ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (Nr. 2a) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Nr. 2b) und ihre Familienangehörigen. Die Antragsteller sind aufgrund des Bescheides der Ausländerbehörde vom 8. August 2022 nicht mehr freizügigkeitsberechtigt und haben auch im Übrigen kein Aufenthaltsrecht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 1. Halbsatz SGB II erhalten zwar Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Leistungen nach dem SGB II, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, was bei den Antragstellern durchgehend der Fall ist. Dies gilt jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz SGB II nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Genau dies ist bei den Antragstellern aufgrund der Bescheide der Ausländerbehörde vom 8. August 2022, die darüber hinaus auch noch den Sofortvollzug dieser Feststellungen angeordnet haben, der Fall.

Dabei ist ausreichend, dass der Verlust der Freizügigkeit wirksam festgestellt worden ist, auf die Bestandskraft der Entscheidungen kommt es dagegen nicht an (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2017, L 15 AS 62/17 B ER, Juris, Rdnrn. 11 f.; vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, 4. Senat, L 4 SO 91/20 B ER, Juris, Rdnrn. 61 ff.; a.A. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. März 2018, L 3 AS 73/18 B ER, Juris, Rdnr. 52 und Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2019, L 8 SO 109/19 B ER, Juris, Rdnr. 9 sowie für Fälle des nicht angeordneten Sofortvollzuges der Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit Hessisches Landessozialgericht, 9. Senat, Beschluss vom 10. Juli 2018, L 9 AS 142/18 B ER, Juris, Rdnr. 12 und Hessisches Landessozialgericht, 6. Senat, Beschluss vom 13. Juni 2022, L 6 AS 196/22 B ER, Juris, Rdnrn. 50 ff.). Unabhängig von der Frage der Durchsetzbarkeit, die davon abhängt, ob Rechtsmittel eingelegt worden sind oder nicht (§ 7 Abs. 1 Satz 4 FreizügG/EU), begründet bereits die bloße Verlustfeststellung eine Ausreisepflicht (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2017, L 15 AS 62/17 B ER, Juris, Rdnr. 12; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. November 2016, L 11 AS 567/16 B, Juris, Rdnr. 17 jeweils unter Berufung auf Geyer, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 7 FreizügG/EU Rn. 3; Brinkmann in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 7 FreizügG/EU Rn. 5 und Kurzidem in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 7 FreizügG/EU Rn. 2). [...]