LG Essen

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Zitieren als:
LG Essen, Beschluss vom 18.01.2023 - 7 T 322/21 - asyl.net: M31277
https://www.asyl.net/rsdb/m31277
Leitsatz:

Haftantrag muss konkrete Ausführungen zur erforderlichen Haftdauer machen:

1. Ein Haftantrag muss Angaben dazu enthalten, ob und in welchem Zeitraum Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind und konkret erkennen lassen, wie viel Zeit die einzelnen Verfahrensschritte für die Vorbereitung der Abschiebung beanspruchen.

2. Ein Haftantrag, der die beantragte Haftdauer mit einer vielfach einsetzbaren Leerformel begründet, wonach eine Rückführung innerhalb des beantragten Zeitraums gewährleistet sei, ist nicht zulässig.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftantrag, Haftdauer,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4, AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[...]

Die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen war festzustellen, weil der Haftanordnung schon kein zulässiger Haftantrag zugrunde lag. [...]

Die in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG vorgeschriebene Begründung der erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung ist vor dem Hintergrund der Vorschrift in § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, nach der die Inhaftnahme des Ausländers auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unverzichtbarer Bestandteil eines zulässigen Haftantrags (BGH FGPrax 2012, 225). Nach dieser Bestimmung darf die Haft von vorneherein nur für den Zeitraum angeordnet werden, der für die Durchführung der Abschiebung notwendigen Maßnahmen unverzichtbar ist. Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein. Nur dann entspricht der Haftantrag dem von dem Gesetzgeber mit dem Begründungszwang in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG verfolgten Zweck, dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen zugänglich zu machen. In dem Haftantrag ist deshalb auch anzugeben, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Notwendig sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 14).

Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag vom 13.03.2020 nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthält.

Die Beteiligte zu 2) führt zwar aus, dass nach Rücksprache mit der für Flugbuchungen zuständigen Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld eine Flugrückführung nach Georgien innerhalb des beantragten Zeitraums gewährleistet sei. Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, aber unzureichend. Die Begründung stellt eine in einer Vielzahl von Verfahren einsetzbare Leerformel dar, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt. Sie lässt nicht erkennen, welchen zeitlichen Rahmen die einzelnen Verfahrensschritte für die Vorbereitung der begleiteten Abschiebung nach Georgien nach Einschätzung der Behörde beanspruchen werden. Damit ist nicht nachvollziehbar, warum dies voraussichtlich einem Zeitraum von sechs Wochen beanspruchen wird und dass dieser Zeitraum im konkreten Fall der kürzest möglichen Haftdauer entspricht. [...]