OLG Köln

Merkliste
Zitieren als:
OLG Köln, Beschluss vom 25.03.2022 - 6 AuslA 44/22 - asyl.net: M31187
https://www.asyl.net/rsdb/m31187
Leitsatz:

Keine Auslieferung in die Russische Föderation:

Angesichts des Angriffskrieges der Russischen Föderation auf die Ukraine erscheint überaus zweifelhaft, ob die völkerrechtlichen Mindeststandards in der Russischen Föderation im Falle einer Auslieferung eingehalten werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Es ist auch zu besorgen, dass eine ausgelieferte Person nach ihrer Überstellung in einem Gefängnis inhaftiert wird, die europäischen Mindeststandards nicht genügt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Russische Föderation, Auslieferung, Haftbedingungen, faires Verfahren,
Normen: IRG § 16, IRG § 15, EuAlÜbk Art. 16 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Zwar hat mit der von den russischen Justizbehörden veranlassten und gemäß Art. 16 Abs. 3 EuAlÜbk in zulässiger Weise durch die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) übermittelten Ausschreibung eine zuständige Stelle um die Festnahme des Verfolgten aufgrund eines gegen ihn bestehenden Haftbefehls nachgesucht. Auch ist die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates (Abschnitt 1, Art. 105 des russischen Strafgesetzbuchs und Abschnitt 1, Art. 222 des russischen Strafgesetzbuchs) als auch nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (jedenfalls nach § 212 StGB) strafbar und lässt daher die Auslieferung nach Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk zu. Die Beschreibung des Tatvorwurfs in der Interpolausschreibung vom 24.03.2014 genügt auch noch den Anforderungen, die Art. 16 EuAlÜbk an die Bestimmtheit der Darstellung der strafbaren Handlung in einem Festnahmeersuchen stellt. Der Verfolgte unterliegt der Auslieferung gemäß § 2 IRG. Er ist nicht Deutscher im Sinne der Art. 16 Abs. 2, 116 Abs. 1 GG, sondern ... Staatsangehöriger. Die Strafe, die dem Verfolgten im Falle einer Verurteilung droht - Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren -, entspricht den Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 S. 1 EuAlÜbk (mindestens 1 Jahr). Die Tat ist auch weder nach russischem Recht noch nach deutschem Recht verjährt.

Der Auslieferung steht jedoch entgegen, dass es derzeit angesichts des seit dem 24.02.2022 andauernden Angriffskrieges der Russischen Föderation auf die Ukraine überaus zweifelhaft erscheint, dass die völkerrechtlichen Mindeststandards in der Russischen Föderation im Falle einer Auslieferung des Verfolgten eingehalten werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, etwa dem Verfolgten zustehender Verteidigungsmöglichkeiten, und darüber hinaus auch angesichts der den Verfolgten in Russland erwartenden Haftbedingungen. Gerade angesichts der bekannten Mängel in russischen Haftanstalten ist zu besorgen, dass der Verfolgte nach seiner Überstellung in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden wird, die den europäischen Mindeststandards nicht genügt und er einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. [...]