Drohende unmenschliche Behandlung Anerkannter in Italien ist Frage des Einzelfalls:
"1. Die Frage, ob Antragstellern, die in Italien internationalen Schutz erhalten haben, eine Situation der Existenznot droht, in denen "Obdach, Wasser, Brot" nicht gewährleistet und damit eine Verletzung von Artikel 4 GRC (juris: EUGrdRCH) zu besorgen ist, hängt von einer Mehrzahl individueller Umstände und Faktoren, wie etwa dem Alter, dem Geschlecht, dem Gesundheitszustand, der Volkszugehörigkeit, der Ausbildung, dem Vermögen und familiären oder freundschaftlichen Verbindungen ab und bedarf daher regelmäßig einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalles durch das Verwaltungsgericht [...].
2. Die von den Klägern angestrebte Klärung dieser Frage lässt sich deshalb nicht abstrakt und allgemein für nach Italien zurückkehrende Flüchtlinge oder Flüchtlingsfamilien losgelöst von den tatsächlichen Umständen des konkreten Falles mit der Durchführung eines Berufungsverfahrens erreichen (Rn. 32). [...]"
(Amtliche Leitsätze; siehe auch: OVG Sachsen, Urteil vom 15.3.2022 - 4 A 506/19.A - justiz.sachsen.de; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.07.2021 - 11 A 1674/20.A - asyl.net: M29879)
[...]
31 Ungeachtet des Vorstehenden verkennen die Kläger, dass die aufgeworfene Frage mit Blick auf dieRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich ist. Der EuGH hat auf entsprechende Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, dass eine Unzulässigkeitsentscheidung der Beklagten nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, wie sie auch im vorliegenden Verfahren Gegenstand ist, nur dann ausgeschlossen wäre, wenn dem Betreffenden im Staat der Schutzgewährung, hier Italien, die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen die Gewährleistung des Artikels 4 GRC (der Artikel 3 EMRK entspricht) droht. Gegen eine solche Verletzung streite die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GRC, der Genfer Konvention und der EMRK stehe. Die zur Widerlegung dieser nicht disponiblen Vermutung erforderliche besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. -, Rn. 90).
32 Die von den Klägern aufgeworfene Frage zu 1 hängt damit von einer Mehrzahl individueller Umstände und Faktoren, wie etwa dem Alter, dem Geschlecht, dem Gesundheitszustand, der Volkszugehörigkeit, der Ausbildung, dem Vermögen und familiären oder freundschaftlichen Verbindungen ab und bedarf daher regelmäßig einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalls durch das Verwaltungsgericht. Sie bedarf auch deshalb einer individuellen Betrachtung, weil die ökonomischen und sozialen Verhältnisse in Italien nicht homogen sind, sondern voneinander abweichen, je nachdem, in welche Stadt oder Region des Landes eine Rückkehr erfolgt. Die von den Klägern angestrebte Klärung dieser Frage lässt sich deshalb nicht abstrakt und allgemein für nach Italien zurückkehrende Flüchtlinge oder Flüchtlingsfamilien losgelöst von den tatsächlichen Umständen des konkreten Falls und den persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten der Kläger mit der Durchführung eines Berufungsverfahrens erreichen. Der Senat schließt sich damit der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis an, das mit Beschluss vom 2. September 2020 - 2 A 74/20 - überdies zutreffend darauf hingewiesen hat, dass auch der Europäische Gerichtshof eine Einzelfallbetrachtung für geboten hält, was sich daraus ergibt, dass er das ernsthafte Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung "für diesen Antragsteller" fordert, weil "er" sich im Fall der Überstellung unabhängig "von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen" in einer Situation extremer materieller Not befände (a.a.O., Rn. 15; s. auch OVG Koblenz, Beschluss vom 31. August 2020 - 7 A 11602/19.OVG -, Rn. 4 ff.). [...]