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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 25.10.2022 - XIII ZB 65/20 - asyl.net: M31171
https://www.asyl.net/rsdb/m31171
Leitsatz:

Haftgerichte müssen das Vorliegen einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung prüfen:

Das Vorliegen einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung gehört grundsätzlich zu den vom Haftgericht zu prüfenden Vollstreckungsvoraussetzungen. Liegt nämlich keine vollziehbare Abschiebungsandrohung vor, darf die vermeintliche Ausreisepflicht nicht durch Abschiebung durchgesetzt und Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht angeordnet werden.

(Leitsätze der Redaktion; siehe auch die Parallelentscheidung zur selben Person: BGH, Beschluss vom 25.10.2022 - XIII ZB 64/20 - asyl.net: M31170)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Ausreisepflicht, Anhörung, Abschiebungsandrohung, unselbstständige Abschiebungsandrohung, Vollziehbarkeit, vollziehbar ausreisepflichtig,
Normen: AufenthG § 59 Abs. 1, AufenthG § 58 Abs. 1, AufenthG § 62 Abs. 1
Auszüge:

[...]

bb) Das Beschwerdegericht durfte sich nicht auf den Inhalt der fehlerhaften Abschlussmitteilung des Bundesamts und des unzutreffenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin verlassen. Anders als die beteiligte Behörde meint, gehört das Vorliegen der Abschiebungsandrohung grundsätzlich zu den vom Haftrichter zu prüfenden Vollstreckungsvoraussetzungen (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2019 - V ZB 216/17, InfAuslR 2019, 228 Rn. 11). Fehlt es an einer für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung, darf eine Ausreisepflicht nicht durch Abschiebung durchgesetzt und Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht angeordnet werden (BGH, Beschlüsse vom 28. April 2011 - V ZB 252/10, juris Rn. 16; vom 27. September 2012 - V ZB 31/12, InfAuslR 2013, 38 Rn. 6; vom 21. August 2019 - V ZB 60/17, juris Rn. 8). Dem steht nicht entgegen, dass die Haftgerichte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die materielle Rechtmäßigkeit einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung nicht zu prüfen haben, weil sie damit in unzulässiger Weise in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit übergreifen würden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 1980 - VII ZB 5/80, BGHZ 78, 145, 147; vom 11. Oktober 2017 - V ZB 41/17, FGPrax 2018, 41 Rn. 22; vom 21. August 2019 - V ZB 174/17, juris Rn. 8; vom 7. April 2020 - XIII ZB 53/19, InfAuslR 2020, 283 Rn. 12). Diese Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche enthebt die Haftgerichte nicht der Prüfung, ob nach dem äußeren Tatbestand die Voraussetzungen für die Vollstreckung der Ausreisepflicht gegeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2020 - XIII ZB 20/19, InfAuslR 2020, 446 Rn. 8). Angesichts dessen hätten sowohl das Amts- als auch das Landgericht die Abschlussmitteilung sowie den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. März 2020 im Lichte des ihnen vorliegenden Bescheids des Bundesamts vom 22. Januar 2020 würdigen und zu dem Ergebnis kommen müssen, dass vorliegend die Abschiebungsandrohung nicht sofort vollziehbar und die Ausreisepflicht des Betroffenen angesichts der erfolgten Klageerhebung noch nicht abgelaufen war. [...]